Asylrechtsänderung: Roma-Familie aus Moorfleet soll abgeschoben werden

Küche im Containerlager Moorfleet
Bescheidenes, aber warmes Willkommen für die ersten Asylsuchenden am Moorfleeter Sandwisch (18.10.2013)
Schon vor Inkrafttreten der beschlossenen Asylrechtsänderung:
Familie Severovic aus Moorfleet droht akut die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina


Europäisches Zentrum für Antiziganismusforschung fordert Bundespräsidenten auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen

Die Linke. Bergedorf informiert:

Nach der Entscheidung des Bundesrates vor wenigen Tagen, gestützt auf die rot-grünen Stimmen aus Baden-Württemberg, wurde das Asylrecht hinsichtlich als "sicher" geltender Herkunftsstaaten geändert. Was für den grünen Ministerpräsidenten Kretschmann aus Baden-Württemberg ein "schwieriger Abwägungsprozess" mit "substanziellem Gewinn" war, hat nun auch im Bezirk Bergedorf ernste Folgen für eine Flüchtlingsfamilie aus Bosnien-Herzegowina.

Familie Severovic, die zurzeit in der Flüchtlingsunterkunft Sandwisch in Moorfleet lebt, wurde aufgefordert, sich am 2. Oktober in der Behörde die Ausreisepapiere abzuholen. Damit droht der Familie, dass sie nun unmittelbar ausreisen muss in das nun "sichere" Bosnien-Herzegowina abgeschoben wird. Dort lebte die Familie in einer gemieteten Baracke am Stadtrand. Diese Baracken, "Ghettos" der Roma, wurden im Frühjahr dieses Jahres vom Staat zerstört. Auch eine Krankenversicherung bekamen sie, trotz ständiger Bitten und Fragen bei den Behörden, nicht. Der Vater hielt die Familie durch das Sammeln von Schrott und Müll über Wasser.

Die Angst der beiden Eltern ist groß, insbesondere, da sie in Bosnien mit ihren zwei Töchtern (Fünf Jahre bzw. fünf Monate alt) obdachlos sein werden. Zudem hatte das in Hamburg geborene kleine Baby bereits in der Schwangerschaft Probleme mit dem Herzschlag. Die Behörde ist nun der Ansicht, das Baby sei so weit gesundet, dass eine Rückführung nach Bosnien durchgeführt werden könne. Diskriminierungen, Obdachlosigkeit und eine fehlende Gesundheitsversorgung sind also im Sinne der Behörde keine ausreichenden Begründungen, um in Hamburg bleiben zu dürfen.

Zaklin Nasic, Bezirksabgeordnete der LINKEN aus Eimsbüttel, unterstützt die Severovics seit ihrer Unterbringung in der Lokstedter Höhe. Sie sagt dazu: "Die Lebensbedingungen für Romafamilien sind in Bosnien menschenunwürdig. An den Stadtrand verbannt leben die Menschen dort wie Aussätzige ohne Hoffnung, ohne Zugang zu Wohnung, Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung und dass nur aufgrund ihrer Herkunft. Dass die Severovics nun ausreisen müssen, ist ein Zeugnis der Ignoranz der Politik gegenüber den Roma. Sie sind stigmatisiert sowie unerwünscht und zwar überall.
Es ist einfach menschenverachtend, wie mit ihnen umgegangen wird. Dass die Familie mit zwei Kindern nun im Winter in die Obdachlosigkeit geschickt wird, in ein Gebiet, in dem vor wenigen Monaten noch der Notstand wegen der schlimmen Überschwemmungen ausgerufen war, ist ein weiterer Schritt, zu demonstrieren, welche Rechte sie haben, nämlich keine."

Doris Winkler, Bezirksabgeordnete der LINKEN in Bergedorf, die ehrenamtlich in der Flüchtlingsunterkunft am Sandwisch tätig ist, ergänzt: "Gerade jetzt, wo der Winter und Weihnachten vor der Tür stehen und Familie Severovic anfängt, sich in die neue Umgebung in Moorfleet zu einzuleben, sollen sie in eine ungewisse und unsichere Zukunft geschickt werden. Wir fordern von der Behörde einen humanitären Akt, der es ermöglicht, dass Familie Severovic in Bergedorf bleibt."

Europäisches Zentrum für Antiziganismusforschung(EZAF) fordert Bundespräsidenten auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen

Das EZAF hat ein online-Petition eingerichtet: Bundespräsident Gauck, Bitte nicht die antiziganistische Asylrechtsänderung unterzeichnen!


Bundespräsident Gauck, Bitte nicht die antiziganistische Asylrechtsänderung unterzeichnen!
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Wir wollen keine Asylrechtsänderung und lehnen die Regelung zu so genannten "sicheren Herkunftsländern" ab.
Herr Bundespräsident Stoppen Sie die Asylrechtsänderung!
Begründung:

Offener Brief & Petition an den Bundespräsidenten Gauck
Die Asylrechtsänderung ist aus moralischer und politischer Sicht nicht tragbar.
Aus historischer Verantwortung den Roma gegenüber kann diesem ethnisch diskriminierenden Gesetz nicht als verfassungskonform zugestimmt werden.
Diese Asylrechtsänderung richtet sich klar gegen Roma, die aus den so genannten "sicheren Herkunftsländern" in Deutschland um Asyl bitten. Diese Staaten sind keine sicheren Länder für Roma, die gesellschaftliche antiziganistische Ausgrenzung und Feinderklärung gegenüber den Roma ist eine politische Diskriminierung des Roma-Volkes.
Selbst wenn die Roma nicht explizit genannt werden, ist jedem in Deutschland und speziell den Regierungsverantwortlichen bewusst, gegen wen sich diese Gesetzesinitiative richtet.
Dieses ist nicht vereinbar mit Aussagen, die zur Eröffnung des Mahnmales an die von den Nazis ermordeten Roma und Sinti erinnert, getätigt wurden.
Diese Asylrechtsänderung widerspricht den Aussagen der Bundeskanzlerin (www.youtube.com/watch?v=bt3sSTCX7WU vom 24.10.2012) und damit der Bundesregierung.
Über 600.000 Roma und Sinti wurden von den Nationalsozialisten in Vernichtungslagern ermordet. Roma und Sinti MÜSSEN endlich dieselbe historische Anerkennung erlangen wie schon seit langem die jüdische Bevölkerung.
Herr Bundespräsident, machen Sie die Roma nicht wieder zu Opfern zweiter Klasse.
Herr Bundespräsident, machen Sie die Roma nicht zu Flüchtlingen zweiter Klasse.
Herr Bundespräsident, senden Sie bitte nicht das Signal, dass das Wohl und Leben eines Roma weniger Wert sei als das Leben anderer Flüchtlinge.
Herr Bundespräsident, dieses Gesetz wird sowohl vor dem Verfassungsgericht als auch vor dem Europäischen Gerichtshof nicht standhalten, verhindern Sie jahrelange Rechtswege und die damit asylrechtliche Diskriminierung der Roma als schutzbedürftige Minderheit. Es liegt letztlich in Ihrer Hand, jahrelanges Leid der Roma zu verhindern.
Ich möchte Bundespräsident Roman Herzog zitieren, 27.04.1995 in Bergen-Belsen: „Totalitarismus und Menschenverachtung bekämpft man nicht, wenn sie schon die Macht ergriffen haben. Man muss sie schon bekämpfen wenn sie das erste Mal, vielleicht noch ganz zaghaft das Haupt erheben.“
Sehen Sie bitte hin, wenn hier die Würde des Menschen verletzt wird. Deutschland ist den Toten und den Überlebenden schuldig, hinzusehen und sie zu als Minderheit zu schützen. Befeuern Sie nicht die Ablehnung, den Antiziganismus und die Ausgrenzung.
Herr Bundespräsident, bitte verweigern Sie die Unterzeichnung dieses Gesetzes.

Am Freitag dem 24.10.2014 würden wir Ihnen gerne diese Online Petition persönlich überreichen.

Grundgesetz
Artikel 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Per Postzustellung mit Erstunterstützern am 30.09.2014

Romanes & English www.EZAF.org

Im Namen aller Unterzeichner/innen.

Hamburg, 28.09.2014 (aktiv bis 25.10.2014)

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