Zurück in Altengamme: Ein Vierländer Ewer
Geschrieben von Carin Schomann amVertreter des Vierländer-Ewer-Vereins und des Kirchenvorstandes von St. Nicolai zu Altengamme bei der Übergabe des Ewer-Modells auf der Terrasse des Zollenspieker Fährhauses. V.l.n.r.: Gösta Schwiers¹, Sarah Wiebe², Manfred Dietrich³, Inken Gronau³, Dr. Manfred Lux³, Ute Schmoldt-Ritter³, Dirk Richterich¹ und Klaus Scheel¹ (¹Förderverein Vierländer Ewer e.V.; ²Zollenspieker Fährhaus; ³Kirchenvorstand St. Nicolai zu Altengamme)
So wechselte der kleine Ewer mit den roten Segeln, während die Oktobersonne die Elbe im schönsten Blau erstrahlen ließ, gegen eine Spende den Besitzer. Er wird in der prächtigen Vierländer Kirche ausgestellt werden, deren Namensgeber der Schutzpatron der Seeleute ist - St. Nicolai. Bis zur offiziellen, feierlichen Vorstellung des handwerklichen und geschichtsträchtigen Kleinods am 25. August 2013 wollen sich die Altengammer Zeit nehmen, um eine Ausstellung zum Vierländer Ewer vorzubereiten. Der Ewer ist deshalb so interessant, weil er ganz maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufstieg der Vierlande beigetragen hat und deshalb ein zentraler Bestandteil alter Vierländer Kultur ist. Vom Reichtum der Vierländer Gemüsebauern, wenngleich er inzwischen Vergangenheit ist, legt die reichhaltig verzierte St. Nicolai-Kirche mit ihren einzigartigen Intarsien- und Schmiedekunstwerken und dem üppigen Goldschmuck Zeugnis ab.
Dieses 1:25-Modell des Vierländer Ewers ist das erste von bisher 5, die Dirk Richterich gebaut hat. Es geht jetzt in die Obhut der St. Nicolai-Gemeinde zu Altengamme.
Ewer sind sog. Plattbodenschiffe, also solche mit wenig Tiefgang. Sie waren bis zu 16 Metern lang, hatten ein offenes Deck und ein oder zwei Segel und wurden als Transportsegler auf der Unterelbe, ihren Nebenflüssen und im küstennahen Bereich eingesetzt. In »Hammonias Garten«, wie die Vier- und Marschlande auch genannt wurden, dienten sie wahrscheinlich ab dem 15. Jhd. zum Transport von Obst und Gemüse nach Hamburg. Die damals noch unbefestigten Deiche waren dem zunehmenden Schwerverkehr nicht gewachsen und brachen in Altengamme und Kirchwerder mehrere Male, sodass das Befahren verboten wurde. Für besonders fragile Ware wie frische Erdbeeren war der Transport per Schiff ohnehin die einzige Möglichkeit, die Reise zum Verbraucher unbeschadet zu überstehen.
Im Bergedorfer Hafen, am Serrahn, baut der »Vierländer Ewer Verein« eines dieser typischen Handelsschiffe nach. Die Idee dazu entstand spontan nach einem Vortrag von Joachim Kaiser von der »Stiftung Hamburg« 2005 im Bergedorfer Schloss, als sich ein paar Schifffahrtsfreunde, nicht ganz unmaßgeblich vom damaligen Bezirksamtsleiter Dr. Christoph Krupp motiviert, entschlossen, einen originalgetreuen Ewer nachzubauen. Ganz wie man damals baute - aus dem, was da war - entsteht der Ewer nach und nach, aus ausrangierten Duckdalben aus dem Hamburger Hafen, aus alten Eichen, die nicht mehr standfest waren und gefällt werden mussten, aus handgeschmiedeten Nägeln und Beschlägen, die nach altem Vorbild gefertigt werden.
Los ging die Bauzeit am 8. April 2008. Da setzt die Säge an den ersten der Duckdalben an und das erste Bodenbrett wurde hergestellt. Gösta Schwiers hat alle historischen Daten des Ewer-Baus notiert. Er, der seine letzten 10 Berufsjahre bei Blohm&Voss verbrachte, ist auch ein Vollblutschiffbauer. Sein Schwerpunkt liegt weniger im Handwerklichen, er recherchiert in alten Aufzeichungen und macht neue Konstruktionszeichnungen daraus.
Klaus Scheel, Tischlermeister und Gründer eines bekannten Küchenfachgeschäftes in Bergedorf, ist da schon eher fürs Handwerkliche. Hat aber auch Ohren für Pastors Traum, denn er war es auf dem Erdbeerfest, mit dem Martin Waltsgott sprach. Weitere Mitglieder des Fördervereins waren nicht abkömmlich, genauso wie Hausherr Oliver Kahle, der sich durch seine Mitarbeiterin Sarah Wiebe vertreten ließ.
Bevor der Originalnachbau des Ewers im kommenden Jahr zu internationalen Gartenschau vom Stapel gelassen wird, hat Altengamme jetzt schon seinen Ewer - rund 90 Jahre, nachdem August Knop, der letzte Ewer-Schipper hier, sich zur Ruhe gesetzt hat. Der letzte Vierländer Ewer-Schipper war Tietje Albers am Curslacker Deich. Dessen Ewer, die »Senta«, hatte ein Fassungsvermögen von 42 Tonnen, was 8 - 10.000 Körben Erdbeeren entsprach. Sie hatte 1910 einen Motor erhalten und fuhr bis in die 1940er-Jahre (Gladiator 1988). Bis heute gehalten hat sich der Begriff »Schipper« für die Transportunternehmer, die heute auf Rädern unterwegs sind und außerhalb der Vier- und Marschlande als Spediteure bekannt sind.
Der Förderverein Vierländer Ewer e.V., gegründet 2006, forscht auch nach 6 Jahren weiterhin nach historischen Dokumenten wie z.B. Fotos von Ewern. Wer hier vielleicht aus einem Nachlass o. dgl. etwas beisteuern kann, ist aufgerufen, das zu tun, ebenso wie alle, die beim Bötchen-Bauen mithelfen mögen. Den Kontakt zum Verein findet man auf der Website www.vierlanden-ewer.de/.
Die St. Nicolai-Kirche zu Altengamme präsentiert sich hier im Netz und das Vereinslokal Zollenspieker Fährhaus kann hier virtuell besucht werden.
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