Freie Fahrt für neue Kohlekraftwerke?

Braunkohlekraftwerk Niederaußem, Foto: Heliostream
Braunkohlekraftwerk Niederaußem bei Köln (Foto: Heliosteam
28.06.2012 | Der Vermittlungsausschuss im Deutschen Bundestag hat gestern überraschend einen Beschlussvorschlag zum umstrittenen CCS-Gesetz vorgelegt. Demnach soll die noch nicht abschließend erforschte, mit großen Risiken behaftete Technologie der unterirdischen Kohlendioxidverpressung in Deutschland erlaubt werden. Nicht zu wissen, wohin mit dem Treibhausgas CO2, ist bislang der Hemmschuh für den Bau neuer Kohlekraftwerke wie z.B. in Moorburg.

Als »Geschenk an die Kohleindustrie« bezeichnet daher unter anderem Greenpeace den Vorstoß, das CCS-Gesetz nun in Kraft zu setzen, und schreibt: »Hintergrund der Einigung zum CCS-Gesetz ist der Wunsch der Kohleindustrie, Fördergelder aus dem EU-Kraftwerksförderprogramm zu erhalten. Voraussetzung dafür ist ein nationales CCS-Gesetz.«

Scharfe Kritik kommt auch vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Nach dessen Auffassung ist die Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt durch die unterirdische Endlagerung von CO2 mittels der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) absolut nicht zu verantworten.

Der BBU ruft die Bundesländer auf, ihren Spielraum gegen die Einführung der CCS-Technologie zu nutzen. Laut CCS-Gesetz soll den Bundesländern gestattet werden, die CO2-Endlagerung auf ihrem Gebiet zu unterbinden, auch wenn sie auf der Bundesebene erlaubt ist. Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben schon längst signalisiert, dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden, während Hamburg zu den Befürwortern gehört und die Gesetzgebung aktiv, ungeacht der Warnungen von Wissenschaftlern und des Bürgerprotestes, vorantreibt:

Mit dem CCS-Gesetz wird die von der EU geforderte, rechtliche Grundlage für die Abscheidung und Speicherung von CO2 geschaffen (CCS steht für „Carbon Dioxide Capture and Storage“). Damit wendet Deutschland nicht nur ein Vertragsverletzungsverfahren der EU ab, sondern schafft auch die Voraussetzung, dass die CCS-Technologie in einem genau abgesteckten Rahmen weiter erprobt werden kann. Die CCS-Technik kann dabei helfen, die nationalen Ziele zur Verminderung der CO2-Emission und zur Begrenzung des globalen Klimawandels zu erreichen. Das Augenmerk liegt dabei sowohl auf dem Einsatz von CCS im industriellen Bereich, beispielsweise in der Grundstoffindustrie, als auch beim Einsatz von CCS-Technologie in Großkraftwerken. Da sich die CCS-Technologie noch im Entwicklungsstadium befindet, ist eine intensive Prüfung der wirtschaftlichen und technischen Machbarkeit sowie der Unbedenklichkeit für die menschliche Gesundheit und die Umwelt erforderlich. Bei der Erkundung des Untergrundes, der Erprobung und Demonstration der CCS-Technologien muss daher die Sicherheit der Bevölkerung oberste Priorität haben. Der im Vermittlungsausschuss gefundene Kompromiss beinhaltet zwei wesentliche Punkte: Zum einen wurden die Mengenbegrenzungen für Speichermengen deutlich reduziert. Waren bisher 3 Mio. t CO2 pro CO2-Speicher vorgesehen und 8 Mio. t für das gesamte Bundesgebiet, so sind es jetzt nur noch 1,3 Mio. t und 4 Mio. t. Das vorliegende Gesetz setzt damit den von Hamburg geforderten klaren Rahmen für die Demonstration und Anwendung der Abscheidungs- und Transporttechnologien sowie für die Demonstration der dauerhaften Speicherung in wenigen kleineren bis mittleren Kohlendioxidspeichern.
Kleiner Ausschnitt aus der Pflichtmitteilung der Hamburger Landesregierung v. 28.06.2012

Ein derartiges CCS-Gesetz wird dem Bau neuer Kohlekraftwerke Vorschub leisten und den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen erschweren. Auch der BBU befürchtet, »dass die CCS-Technologie eine überholte Energiepolitik mit zentralen Großkraftwerken zementieren und die klimaschädliche Kohlenutzung verlängern soll. Die nötigen Investitionen für einen grundsätzlichen Systemwechsel zu einer dezentralen, rekommunalisierten und regenerativ ausgerichteten Energieversorgung auf der Basis von intelligenten Netzen und Speicherungen werden behindert. Mit CCS wird ein unnötiges neues Gefahrenpotential aufgebaut. Die geplante Einführung der CCS-Technologie ist energiepolitisch und klimapolitisch verfehlt. Sie soll gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden. Vom CCS-Gesetz werden lediglich die großen Energiekonzerne profitieren.«

Der besorgte Bürger an sich denkt über CCS ganz anders als zum Beispiel die Hamburger Regierung oder der Vermittlungsausschuss, wie Peter Müller-Maas im Dialog über Deutschland zeigt:
»CCS ist nicht ausprobierbar, weil die Verpressung von CO2 in ca. 1800 m Tiefe bewirkt, dass der Boden nie wieder davon befreit werden kann. Ein Ausprobieren setzt voraus, dass immer auch eine Rückwicklung möglich sein muss.

Wünschbar wäre, wenn alle in Richtung Energievermeidung umdenken würden, die kleinen Leute natürlich auch, die großen Leute erstrecht. Die Klimaziele wären allemal schnell zu erreichen, wenn eine gesetzlich Vorgabe zur Umstellung der Energietarife greifen würde: Der, der wenig verbraucht, hat den günstigsten, der, der viel verbraucht, hat den ungünstigsten Tarif. Derzeit ist es überall genau umgekehrt. Wenn Sie, Frau Bundeskanzlerin, für eine solche Reglung nicht die erforderliche Durchsetzungsmöglichkeit haben, würden wir keine Mühe scheuen, Ihnen beiszustehen.«

Am 29. Juni 2012 um 11 Uhr steht der Gesetzentwurf im Bundestag zur Debatte. Die Anti-Atom-Piraten haben in Windeseile eine einfache Möglichkeit geschaffen, mit der jede und jeder ihren/seinen Bundestagsabgeordneten jetzt sofort mit zwei Mausklicks seine Besorgnis und ihre/seine Ablehnung mitteilen kann:

Um Gefahren abzuwehren und um nachfolgenden Generationen möglichst viele Optionen zur Treibhausgasminderung offen zu halten, erscheint deshalb ein Verzicht auf Kohle-CCS im Sinne der Nachhaltigkeit geboten.

>>> Schreiben Sie Ihren Abgeordneten JETZT, dass Sie nicht mit dem geplanten CCS-Gesetz einverstanden sind! <<<



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