Hamburger Museumsshuffle: »Das ist ein Abenteuer«

Expertenanhörung des Hamburger Kulturausschuss im Galionsfigurensaal des Altonaer Museum
Expertenanhörung des Hamburger Kulturausschuss im Galionsfigurensaal des Altonaer Museum
Nach dem »Eklat im Kulturausschuss« am 8. November fand gestern die kurzfristig anberaumte Expertenanhörung [PDF] zur Reform der Stiftung Historische Museen Hamburg statt. In der öffentlichen Sitzung befragten die Ausschussmitglieder die beteiligten Museumsdirektoren, Vorstände der Freundeskreise, den Personalratsvorsitzenden der Stiftung sowie den designierten Chef der Bergedorfer Museen, Arne Dornquast, rund 3 Stunden lang coram publico. Das Interesse war groß und der Saal bis auf den letzten Stuhl besetzt und auch, wenn es um die Reform der ganzen Stiftung Historische Museen Hamburg ging, so nahm die Herauslösung der Bergedorfer Museen als Teilaspekt davon doch die meiste Zeit für sich in Anspruch.

»Das ist ein Abenteuer.« - damit zitierte Lisa Kosok, noch Direktorin des Museum für Bergedorf und die Vierlande, ihre Mitarbeiter zur Herauslösung und sprach aus, was als Fazit der gestrigen Expertenanhörung des Kulturausschusses der Bürgerschaft gelten kann. Die Herauslösung des Museum für Bergedorf und die Vierlande sowie des Rieck-Hauses aus der Stiftung wird ein Vabanque-Spiel. Das zeigten die Aussagen der Experten in ihrer Summe signifikant. So eminente Fragen wie die nach der zukunftssicheren Finanzierung der nach Bergedorf kommenden Häuser perlten an den Befragten, hier: Bezirksamtleiter Arne Dornquast, genau wie in der Vergangenheit einfach ab. Schlussendlich stimmten die Fraktionen im Kulturausschuss geschlossen gegen die vorliegende Senatsdrucksache zur Stiftungsreform - bis auf die Fraktion der alleinregierenden SPD, die hiermit das von ihr anscheinend vorgeplante Ergebnis einer vorgeblich ergebnisoffenen Machbarkeitsprüfung herbeiführte: Ab 1. Januar 2013 hat das Bezirksamt Bergedorf das Sagen, aber auch die Verantwortung für das MBV und das Rieck-Haus.

Und das, obwohl die Bergedorfer Museen, um die es hier geht, nicht schlecht dastehen, wie die Senatsdrucksache Nummer 5704 ausführt: »In den zurückliegenden Jahren wurde das MBV kontinuierlich ausgebaut. Neben der Erarbeitung und Einrichtung der Dauerausstellung wurde das Sonderausstellungsprogramm verstetigt, ein eigener Sammlungsaufbau betrieben und eine didaktische Betreuung durch den Museumsdienst erreicht. Dies hat sich nicht nur in einem attraktiven Museumsangebot mit verstärktem Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm sowie steigenden Besucherzahlen, sondern auch in einem Anwachsen von Personal-, Investitions- und Sachkosten niedergeschlagen.«1

Wer hat den Nutzen und wer hat den Schaden der Neustrukturierung, fragte Torkild Hinrichsen, noch Direktor des Altonaer Museums und des Rieck-Hauses. Der Nutzen sei eindeutig vor dem lokalpatriotischen Hintergrund zu sehen, sagte er, und liege darin, dass in Bergedorf eine Museumslandschaft entstehen kann. Die Frage aber sei, ob man nicht besser solange in einer Allianz weitergemacht hätte, bis es ordentlich funktioniert. Das Rieck-Haus ist seit 60 Jahren eine Außenstelle des Altonaer Museums und die beiden Häuser haben sich gegenseitig befruchtet. Ein Kooperationsvertrag sei angeboten und abgelehnt worden, sagte Hinrichsen. Was jetzt passiert, ist, dass diese Verbindung abreißt, dass der Stiftungsgedanke beschädigt ist, dass für das Altonaer Museum 25.000 Besucher jährlich wegfallen werden... - für das Altonaer Museum ist das eine mittlere Katastrophe, klagte Hinrichsen.

Auch Harm Reese, Vorsitzender der Freunde des MBV, stellte Fragen. Die Haltung der Freunde sei überwiegend nicht gerade herauslösungsfreundlich, erklärte er zunächst. Dennoch gebe es auch Kritik am noch-Status-Quo: Mehr Eigenständigkeit, nicht Selbstständigkeit, aber mehr Kompetenz nach Bergedorf bringen, das müsse die Forderung sein, um das Marketing und Veranstaltungsmanagement zu professionalisieren und die Bürgerarbeit zu intensivieren. »Eigentlich sind wir uns beim Ziel einig«, sagte Reese, nur beim Weg dorthin scheiden sich die Geister. Die Vorfestlegung auf einen einzigen Weg habe es schwierig gemacht; das Kooperationskonzept, das der Freundeskreis in die Planung einzubringen versuchte, sei von vornherein abgelehnt worden. Worin denn nun die Vorteile des Herauslösungskonzeptes lägen, diese Frage stellte Reese nicht zum ersten Mal und auch nicht als einziger in dieser Sitzung, doch sie wurde auch hier wieder nicht beantwortet.

Heinz-Werner Hars, Vorsitzender des Freundeskreises Rieck-Haus, bedauerte, dass zur Konzeptfindung nur ein einziges Gespräch zwischen Bezirksamt und Freundeskreis stattgefunden hat. Er kritisierte auch, dass der Bergedorfer Fokus auf dem Schloss liege und das Rieck-Haus außen vor sei: In Bergedorf werde schon öffentlich über die nächste Sonderausstellung gesprochen und die Ideen und Pläne, die im Rieck-Haus längst vorhanden sind, interessierten nicht.

Helmut Sander, Vorstand und kaufmännischer Direktor der Stiftung, berichtete, dass alle Berechnungen die Bergedorfer Museen betreffend von Anfang an offen mit dem Bezirksamt Bergedorf stattgefunden haben. Er verschwieg auch nicht, dass er Herrn Dornquast schon vor längerer Zeit gefragt hat, ob er eigentlich wisse, was er sich da ans Bein bindet, er solle »den ganzen Quatsch« doch besser lassen und lieber die ganz enge Kooperation eingehen, die Sander Bergedorf anbieten wollte - die Bergedorf aber ausgeschlagen hat.

Alle diese Strukturfragen sollten nicht davon ablenken, dass es für keines der Stiftungsmuseen eine auskömmliche Finanzierung gibt. Mit diesem Hinweis rief Gert Hinnerk Behlmer, Mitglied des Stiftungsrates, das zentrale Problem ins Gedächtnis. Die Reform generiert Mehrkosten und schwächt die Stiftungsmuseen in ihrer Gesamtheit. Keine Reform könne darüber hinwegtäuschen, dass kein Museum und auch nicht die Stiftung ausreichend mit Mitteln ausgestattet sind. Alle Stiftungsmuseen wünschen sich mehr Eigenständigkeit, sagte Behlmer.

Lisa Kosok wies darauf hin, dass die geforderte Kostenneutralität bei der Stiftungsreform an genau zwei Stellen verlassen wird: Im Kapitel Bergedorf und im Kapitel Harburg.

Kirsten Baumann, ehemalige Stiftungsdirektorin und Autorin eines früheren Reformkonzeptes, das eiligst ad acta gelegt worden war, ohne dass sie es hätte verteidigen können, appellierte an alle, sich parteiübergreifend und ohne Verheddern in bezirklichen Debatten für eine bessere Ausstattung und für dringend notwendige Investitionen einzusetzen.

Burkhard Jodat, Vorsitzender des Stiftungspersonalrats, bezeichnete es als Unding, dass die Beschäftigten der Häuser in Bergedorf und Harburg weder gehört worden waren noch ein Widerspruchsrecht gegen die Überleitung ihrer Stellen hatten. Er berichtete, dass es Beschäftigte gebe, die mit der zwangsweisen Ausweisung ihrer Stellen aus der Stiftung nicht einverstanden sind.

Dennis Gladiator, CDU-Wahlkreisabgeordneter aus Bergedorf, fragte Arne Dornquast direkt nach der Diskrepanz, die sich in dessen verschiedenen Ansagen auftun: Einerseits wisse Dornquast von den großen finanziellen Risiken und Einsparzwängen innerhalb der Bezirke, also auch in Bergedorf - die Rede ist von bis zu 45 Millionen Euro Defizit -, andererseits sollen aber die Bergedorfer Museen mit dem bewilligten Etat auf der Grundlage des Geschäftsjahres 2011 mindestens auf dem gleichen Niveau wie bisher weiter geführt werden.

Norbert Hackbusch, Vorsitzender des Kulturausschusses, fragte Arne Dornquast, warum er sich nicht mehr Zeit genommen habe, um eine vernünftige Lösung zu finden, da ja alles, was bisher gesagt wurde, zeige, dass es immer noch keine gute Lösung gibt.

Dazu antwortete Arne Dornquast, dass die Bezirke in den kommenden zwei Jahren überdurchschnittlich gut dastehen würden (relativ zu den übrigen Behörden und öffentlichen Einrichtungen). In Bezug auf die Zeit drückte er sein Erstaunen aus, so lange für dieses Projekt gebraucht zu haben. »Ich hätte nie gedacht, das ich mich mit einem einzelnen Thema so intensiv befassen muss.« Dies, obwohl er, wie er weiter ausführte, eine »kleine, schlagkräftige« Gruppe gebildet habe, bestehend aus ihm selbst, einem Ökonomen und einem Verwaltungsfachangestellten, neuerdings verstärkt durch einen Mitarbeiter aus dem Bundesfreiwilligendienst - eine Gruppe, die »unheimlich viele Stunden hineingesteckt« hat. Für das Ziel ihrer Arbeit hat sich die Gruppe den Slogan »Freiheit statt Abhängigkeit« gewählt.

Dennis Gladiator stellte die rhetorische Frage, was sich seit Sommer geändert habe, als Dornquast mit folgendem Satz in der Bergedorfer Zeitung zitiert wurde: »Wir haben nicht die fachliche Kompetenz und auch nicht die finanziellen Mittel, um das Museum im Schloss und das Rieck Haus aus der Stiftung Historische Museen Hamburg herauszulösen und als Bezirk selbst zu betreiben.« Dornquast bestritt, diesen Satz so gesagt zu haben. Er zeigte sich sicher, mit einem zu konstituierenden 9-köpfigen Beirat, einem neuen Museumsleiter, den man zu Mitte nächsten Jahres gefunden haben will, einer neuen Sonderausstellung ab Juli 2013, die der noch-Museumsleiter Olaf Matthes initiiert hat, und einer Finanzierung für die nächsten 2 Jahre, der das Etikett »Auskömmlich« aufgeklebt wurde, zu reussieren.

Christa Goetsch, kulturpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen, kommentierte anschließend: »Die Anhörung offenbart das fachliche Versagen der SPD. Ihr ist es aufgrund parteiinterner Klientelpolitik nicht gelungen, eine inhaltliche und strukturelle Weiterentwicklung der Stiftung zu vollziehen.«

Dennis Gladiator, Bergedorfer Bürgerschaftsabgeordneter der CDU, meinte: »Es wurde die Chance vertan, ergebnisoffen zu prüfen, wie eine nachhaltige Sicherung und Stärkung der Museen erreicht werden kann. Stattdessen gab es die politische Vorfestlegung der SPD, die Ausgliederung durchzusetzen, koste es was es wolle. Alle Experten zeigten sich skeptisch bis ablehnend. Auch wenn die SPD die von uns geforderte Bestandsgarantie ins Gesetz aufnehmen wird, bleibt die Zukunft der Bergedorfer Museen ungewiss - alle entscheidenden Fragen zur Finanzierung bleiben ungeklärt: das Bezirksamt verfährt frei nach dem Prinzip Hoffnung. Das aber wird der hohen Bedeutung unserer Museen nicht gerecht.«

Gladiators Parteikollege Dietrich Wersich, Fraktionsvorsitzender und kulturpolitischer Sprecher, fügte trocken hinzu: »Der Senat will Probleme lösen, die nur die SPD-Fraktion sieht, und das mit Mitteln, die nur die SPD-Fraktion für geeignet hält.«

Das Wortprotokoll dokumentiert die Sitzung ausführlich: Wortprotokoll [PDF] aus der Parlamentsdatenbank herunterladen.

Der Haushaltsausschuss tagt am 27.11. und die entscheidenden Haushaltsberatungen im Plenum der Bürgerschaft finden vom 11. bis 13. Dezember statt. Ab dem 1.1.2013 wird sich zeigen, ob das Abenteuer »Bergedorf macht Museum« gut ausgeht.

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1 Drucksache 20/5704 (Gesetzentwurf) 30.10.2012: Ergänzung zum Haushaltsplan-Entwurf 2013/2014 nach § 32 LHO Fortentwicklung der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH), Ausgliederung der Bergedorfer Museen sowie des Helms-Museums aus dem Stiftungsverbund nebst damit zusammenhängender Anpassung des Museumsstiftungsgesetzes (HmbMuStG) Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 9. November 2011 „Fortentwicklung der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH)“ (Drucksache 20/1969) [PDF]

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