Wer hat Angst vor Gentechnik und Round-Up?

3 Kanister m. glyphosathaltigem Taifun Forte, Trecker mit Giftspritze auf Feld (Montage)
Glyphosathaltige Spritzmittel richten mehr Schaden an, als von Industrie und Politik zugegeben.
Mit Spannung erfuhren die mehr als 70 Zuhörer im Hamburger Rudolf-Steiner-Haus, wie »Die schleichende Vergiftung unserer Nahrung« entsteht. Zu dem Vortrag von Anja Sobczak, Referentin für Gentechnik in der Landwirtschaft am unabhängigen Umweltinstitut München, hatten die Initiative Gentechnikfreie Metropolregion Hamburg, das UmweltHaus am Schüberg und der Ökomarktverein Hamburg eingeladen.

In ihrem 45-minütigen Vortrag tischte die Fachfrau Anja Sobczak dem Publikum eine Menge unappetitlicher Fakten über die Agrogentechnik inklusive der dazugehörigen Pestizide wie dem handelsüblichen Round-Up auf. Derzeit sind gentechnisch veränderte Pflanzen (GVO) wie Soja, Raps und Mais-Sorten weltweit zugelassen und werden im großen Stil angebaut. Ihnen wurden gentechnisch zwei Haupteigenschaften eingebaut: Pestizid-Resistenz wie beim Roundup-Ready-Soja oder die Fähigkeit, selbst ein Schädlingsgift zu produzieren,wie beim Bt-Mais MON810, der sich so gegen den Maiszünsler wehren kann. Beide GVOs, sowohl Round Up-Ready-Soja als auch MON810, sind Erfindungen des Saatgut- und Chemiekonzerns Monsanto; ihre Hauptanbaugebiete sind die USA, Argentinien und Brasilien.

80 Prozent aller GVOs sind Soja und Mais. Sie wandern als Futtermittel in die Mägen von Rindern, Schweinen und Geflügel. Und damit direkt auf unserem Teller, wenn wir Milch, Käse, Eier und Fleisch aus konventioneller Produktion essen. Allerdings lehnen 80 Prozent aller Deutschen Genfood ab. Da aber keine Kennzeichnungspflicht für tierische Produkte besteht, kann der Verbraucher derzeit nur auf Bio-Ware ausweichen, wenn er keine Gentechnik im Essen haben möchte.

»In der Londoner Monsanto-Kantine wird darauf hingewiesen, dass alle verwendeten Produkte garantiert gentechnikfrei sind«, berichtete Anja Sobczak. Dass Monsantos Mitarbeiter kein Genfood mögen, könnte vor allem daran liegen, dass sie die Fütterungsstudien mit Ratten und Mäusen kennen. Zum Beispiel die Seralini-Studie, die die erschreckenden Folgen von gentechnisch veränderter Nahrung bei Tieren gezeigt hat: Über einen Zeitraum von 90 Tagen bis zwei Jahren entwickelten die Versuchstiere Krebsgeschwüre, Organschäden und Blutveränderungen. In der zweiten und dritten Generation der Versuchstiere zeigten sich massive Schwächungen des Immunsystems sowie eine Abnahme der Fruchtbarkeit.

In den hauseigenen Kurzzeitstudien der großen Saatgut- und Chemiekonzerne wie Monsanto, Bayer, Dupont, Syngenta und BASF fehlen solche Ergebnisse. Das hat die Zulassung der GVOs in Brüssel bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sicherlich erleichtert. »Derzeit werden 95 Prozent aller Wissenschaftler, die sich mit Agro-Gentechnik beschäftigen, von der Industrie bezahlt«, so Sobczak. Nur fünf Prozent würden unabhängig forschen.

Einen besonderen Beitrag zur Vergiftung unserer Nahrungsmittel leistet laut Sobczak das Totalherbizid Round-Up von Monsanto. Lange Zeit von der Firma als unbedenklich für Mensch und Tier deklariert und als schnell abbaubar bezeichnet, wird das Glyphosathaltige Round-Up heute für viele Krankheiten verantwortlich gemacht. So häufen sich in lateinamerikanischen Ländern, wo Round-Up mit Flugzeugen tonnenweise über Felder und auch angrenzende Wohnsiedlungen gesprüht wird, die Fälle von Hauterkrankungen, Krebs bei Kindern, Fehlgeburten und Missbildungen bei Neugeborenen.

»2010 sind weltweit 750.000 Tonnen Round-Up verbraucht worden.«, sagte die Expertin. In Deutschland landen pro Jahr zwischen 5000 und 8000 Tonnen Glyphosat auf Feldern, im Obstbau, in Weihnachtsbaumplantagen oder im heimischen Garten, wenn Giersch und Löwenzahn stören. Aber auch Spiel- und Sportplätze werden mittels Round-Up unkrautfrei gehalten – schließlich ist es frei verkäuflich. Dass freier Zugang zu dem Gift nicht automatisch »überall einsetzbar« bedeutet und dass der Einsatz von Round-Up zu nicht landwirtschaftlichen Zwecken nach dem deutschen Pflanzenschutzgesetz verboten ist, wissen viele nicht.

»Jüngste Untersuchungen deuten darauf hin, dass Glyphosat überall, auch in jedem Menschen zu finden ist«, sagt Sobczak. »Wir nehmen das Pflanzengift Round-Up vor allem über die Nahrung auf.«, so die Expertin. In der deutschen Landwirtschaft wird Round-Up nicht nur vor der Einsaat und nach der Ernte auf die Felder gesprüht, sondern auch zwei Wochen vor der Getreide-Ernte (Sikkationsspritzung), um die sog. Totreife zu erzeugen. »Danach sind die Felder frei von Unwuchs, der Mähdrescher kann leichter drüber fahren und der Bauer spart Trocknungskosten – bis zu 15 Euro pro Hektar.« Dann brauche sich niemand mehr zu wundern, wenn in Brot und Getreideprodukten Glyphosat und andere Chemierückstände zu finden sind, schloss die Expertin.

Mit dem Hinweis, dass Bauernverbände und Chemiekonzerne anführen, dass von gentechnisch veränderten Pflanzen und Pestiziden noch niemand sofort tot umgefallen sei, schlug Anja Sobczak den Bogen zurück zur »schleichenden Vergiftung unserer Nahrung«. Die Folgen davon zeigen sich längst weltweit: In ausgelaugten Böden, in vergifteten Flüssen, bei kranken Tieren, im Widerstand der Umweltverbände und Initiativen und in der Verunsicherung der Verbraucher. Die Frage ist, stellte Sobczak klar, ob wir den folgenden Generationen, unseren Kindern, eine vergiftete Welt hinterlassen wollen.

Anja Sobczak und das unabhängige Umweltinstitut München fordern deshalb das sofortige Verbot von glyphosathaltigen Präparaten wie Round-Up, das Verbot von gentechnisch-veränderten Futterpflanzen und den Zulassungsstopp von Genpflanzen. »Gentechnik ist eine Risikotechnologie: Nicht kalkulierbar, nicht regulierbar und nicht rückholbar.«

Kurzinfo über Glyphosat (z.B. Roundup) in »nano« auf 3sat


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