Metropolregion Hamburg wird zum Gasland des Nordens

Gasschieberstation Reitbrook am Kiebitzdeich
Die Gasschieberstation Reitbrook am Kiebitzdeich sitzt auf der H-Gas-Leitung zwischen Lübeck und Rotterdam bzw. Berlin.
Das Gasbohrunternehmen PRD Energy GmbH hat die »Aufsuchungserlaubnis Schwarzenbek« erhalten.Das meldete am heutigen Donnerstag das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) in seiner Funktion als schleswig-holsteinischen Oberste Bergbaubehörde. Das deutsche Unternehmen mit Sitz in einer Anwaltskanzlei in Berlin ist Tochter der kanadischen Firma PRD Energy und hat die Erlaubnis für 5 Jahre erhalten. »Bei der Aufsuchungserlaubnis handelt es sich lediglich um das Abstecken von Gebieten, um Konkurrenten auszuschließen. Es sind damit keinerlei Eingriffe in den Boden wie Bohrungen oder gar Frack-Maßnahmen erlaubt.«, erklärte das MELUR. Das Ministerium habe die Erlaubnis nicht verweigern können, heißt es in der Meldung weiter. Dass Umweltminister Habeck (Grüne) die Hände gebunden gewesen seien und er angeblich nicht anders entscheiden konnte, wird, auch wenn sie es nicht gelesen und verstanden haben, von seinen Parteikollegen mit dem Bergrecht begründet.

Bereits Mitte März wurden für sechs Aufsuchungsgebiete in Schleswig-Holstein Erlaubnisse erteilt. Womit die Öffentlichkeit vor Jahresfrist noch nicht rechnen konnte, weil sie konsequent aus solchen Entscheidungen über ihr Lebensumfeld ausgeschlossen wird, ist jetzt eingetreten: In fast ganz Norddeutschland sind die »Claims« abgesteckt und zumeist nordamerikanische Ölfirmen besitzen nun das Recht, hier Gas und Öl auszubeuten. Nicht nur in Schleswig-Holstein, auch in Hamburg und im nördlichen Niedersachsen färbt sich die Landkarte zusehends rot.

Die Bevölkerung quittiert das mit massivem Widerstand. Seit Monaten vergeht keine Woche, in der nicht mindestens eine »Fracking-Veranstaltung« stattfindet, zu der die Menschen zu Hunderten strömen, sich informieren und vernetzen. Und kein Monat vergeht, in dem die Menschen nicht mindestens eine anti-Fracking-Initiative gründen und das bundesweite Netzwerk verdichten, das unter der »Dachmarke« gegen-gasbohren besteht. Sie mischen sich in die Politik ein, stellen gut informierte Fragen, die manchen Politiker, Behörden- und Unternehmensvertreter ins Schwitzen bringen. Und sie gehen auf die Straße, um öffentlich aufmerksam zu machen auf die Bedrohung: Wo gefrackt wird, da ist das Trinkwasser unmittelbar in Gefahr! Auf die Hauptffrage hier kann es genau eine richtige Antwort geben: Was nützt die Ausbeutung von Gasreserven im dichten Gestein, wenn dadurch das Wasser aus dem Hahn nicht mehr trinkbar ist, nicht einmal mehr zum Bewässern des Gartens taugt? Nichts!

Für die Gasbohrfirmen und für Gemeinden, die auf schnellen Profit und auf Sanierung ihres maroden Haushalts aus sind, scheint das Gasbohren attraktiv - und natürlich auch für Hersteller von Trinkwasser in Flaschen...

Dass die Bevölkerung - nicht nur im Norden, sondern bundesweit, europaweit, weltweit - in großer Sorge um das Trinkwasser, aber auch in Angst vor massiven Umweltschäden inklusive Erdbeben und Bauschäden ist, zeigt sich überall. Und dass sie sich nicht für dumm verkaufen lässt, auch. Bei der Sondersitzung des Bergedorfer Regionalausschusses zeigte sich ein weiteres Mal, dass Wachsamkeit das Gebot der Stunde ist. Dort wollten Behörden- und Industrievertreter partout die Karten nicht auf den Tisch legen, sprachen lieber im Konjunktiv und von Wahrscheinlichkeiten und ergingen sich in Beschwichtigungen à la »Wir beherrschen die Technologie.«. Nur wer genau hinhörte, bekam mit, dass ExxonMobil durchaus fracken wird, wenn sie das für nötig hält und es weiterhin nicht gelingt, schwerwiegende Bedenken aus Wasser- und Naturschutzgründen dagegen zu setzen und Fracking in Hamburg zu verbieten. Verschleiert werden sollte auch die Tatsache, dass ExxonMobil durchaus plant, auch schon vor Ablauf der dreijährigen Dauer der Aufsuchungserlaubnis den Fracking-Antrag zu stellen und die dafür nötige/n Bohrung/en auch schon lange vor 2017 niederzubringen, wenn sie das für profitabel halten.

Dabei treten die schädlichen Nebenwirkungen des Fracking, aber auch der massiven konventionellen Erdgasförderung nicht erst seit gestern immer deutlicher zu Tage. Giftstoffe aus den mitgeförderten Tiefenwässern haben auch in Deutschland (Niedersachsen) schon mehrfach Böden und Gewässer verseucht - obwohl doch die Technologie angeblich beherrschbar ist. Sehr beunruhigend auch: Gasförderung verursacht Erdbeben und entsprechend Schäden an und Wertverlust von Gebäuden. Ein weiterer Faktor, der negativ zu Buche schlägt, ist der Methanverlust, der durch Abfackeln und Abblasen bedingt ist. Experten sprechen von bis zu 9 % Austritt von unverbranntem Methan in die Atmosphäre und davon, dass der Klimawandel dadurch stark angeheizt wird, weil Methan ein ca. 25-fach stärker wirkendes Treibhausgas ist als Kohlendioxid. Der Katalog der Gegenargumente gegen die irrsinnige Form der Gasförderung ist lang. Der »AK Fracking Braunschweig Land« hat aktuell eine Kurzfassung über diese Fragestellungen zum Schnelleinstieg ins Thema veröffentlicht: »Fracking kompakt«

Politiker fordern eine Modernisierung des deutschen Bergrechts, manche Parteien ein Moratorium, das so lange dauern soll, bis die Unschädlichkeit von Fracking erwiesen ist, Schleswig-Holsteins Grüne machten jetzt einen Vorstoß, um ein sog. chemikalienfreies Fracking zu verlangen. Allerdings müssen sie sich dann fragen lassen, warum sie alle weiteren bekannten Schadwirkungen von Fracking außer Acht lassen. Wollen sie in Wirklichkeit eine Art »Fracking light«? Im Jahr der Bundestagswahl nimmt der Kampf um ein bedingungsloses Frackingverbot eine nie dagewesene Schärfe an und das ist auch wichtig und gut so. Denn die Anzeichen, dass die Erdöloligarchie Politik und Gesetzgebung zu usurpieren sucht, sind überdeutlich. Das zeigte sich schon in der Sondersitzung des Bergedorfer Regionalausschusses, als während der Expertenansprachen und der Politikerfragestunde ganz auffällig unauffällig das Exxon-Logo groß auf der Leinwand prangte.


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