»Beim Fracking auf die Bremse treten, nicht aufs Gas.« Mit dieser Formel fasste Bundesumweltminister Peter Altmaier seinen Standpunkt zum Fracking in Deutschland zusammen, als er heute auf seiner Wahlkampftour in Bergedorf Halt machte. Nachmittags waren ausgewählte Vertreter lokaler Bürgeriniativen gegen Fracking und gegen Windenergie-Repowering sowie der »Gemeinschaft Vier- und Marschlande« zum Gespräch mit dem Minister eingeladen, am Abend sttellte sich der Minister den Bürgerfragen bei seiner öffentlichen Diskussionsveranstaltung.
»Beim Fracking auf die Bremse treten, nicht aufs Gas.«, sagte der Minister den Menschen. Er sieht für Fracking in der nahen Zukunft in Deutschland eher keine Möglichkeit - wegen der dichten Besiedlung. In den USA sei das anders, da finde das Fracking inmitten des Nirgendwo statt, wo höchstens einmal ein Kojote sich erschreckt, vielleicht auch umfällt. Auch sah der Minister nicht die Notwendigkeit, diesen Bodenschatz jetzt zu heben. Schließlich werde das Gas, das bereits viele Millionen Jahre dort unten liegt, nicht schlecht, wenn es noch 20 Jahre länger dort liegen bleibt.
Fracking zu verbieten sei schwierig, meinte der Minister. Ein generelles Verbot würde wohl vor dem Verfassungsgericht scheitern. Ein anderes Beispiel aus dem Bergbau diente dem Minister zur Erläuterung: Der Steinkohlebergbau in Altmaiers Heimatland an der Saar. Dort habe der Abbau der Steinkohle verheerende Schäden an der Oberfläche angerichtet - ein halb eingestürzter Kirchturm und 300 abgestürzte Schornsteine - woraufhin der Steinkohlebergbau im Saarland beendet wurde. Trotzdem sei der Steinkohlebergbau nicht in ganz Deutschland verboten. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages aus dem Jahre 2011, wonach ein Frackingverbot durchaus verfassungskonform sei, hielt Altmaier für begrenzt nützlich, da dieses Gutachten nicht bewiesen habe, gerichtsfest zu sein.
Fracking sei heute in Deutschland überall erlaubt, meinte Altmaier. Auch er sehe beim Fracking noch viele ungeklärte Fragen. Der Plan sei daher, hier schrittweise vorzugehen und zunächst einmal das Fracking in Wasserschutzgebieten zu verbieten. Der Minister empfand es als falsch, dass Kritiker den Entwurf eines Änderungsgesetzes des Wasserhaushaltsgesetzes, den er zusammen mit Wirtschaftminister Rösler eingebracht hat, als »Frackingfördergesetz« bezeichnen. Er bedauerte, dass sein Vorschlag eines Fracking-Moratorium auf taube Ohren gestoßen war, und versicherte aber, dass vor der Wahl in sechs Wochen keine gesetzgeberischen Aktivitäten in Bezug auf Fracking stattfänden. Gleichwohl liege der Gesetzentwurf nur auf Eis, sei also nicht verworfen.
Man müsse bedenken, dass es beim Fracking auch um die Geothermie ginge. Die Umweltverträglichkeit des Fracking sei die Frage, die zunächst geklärt werden müsse. In den nächsten 10, 20, 25 Jahren erwartet Altmaier in deutschem Boden kein Fracking im großen Maßstab. Forschung aber müsse es geben. Die Gasindustrie halte zurzeit still und warte auf eine Perspektive. So seien im Moment keine Fracs in Deutschland vorgesehen -- es herrsche sozusagen ein Stillhalteabkommen, also eine Art informelles Moratorium, sagte Altmaier. Es sei die Pflicht der Regierung, der Industrie eine klare Perspektive zu geben, um sich hier keinen Klagen auszusetzen.
Erst wenn jegliche Zweifel an der Sicherheit des Fracking widerlegt seien, könne die Technik zum Einsatz kommen, sagte der Minister. »Mit der CDU im Zweifel für die Umwelt!«, betonte er. Im Hinblick auf schon stattgefundene, bundesweite Treffen der Anti-Fracking-Initiativen schlug er vor, das nächste Treffen im kommenden November mit ihm gemeinsam in Berlin zu veranstalten.
Die Delegierten der Bürgerinitiativen FrackingFreies Hamburg/-Harburg versuchten, dem Minister in aller gebotenen Kürze die Unmöglichkeit des Fracking in und um Hamburg vor Augen zu führen, da das Gebiet großräumig von Wassereinzugs- und Trinkwassergewinnungsgebieten für viele Millionen Menschen durchzogen ist - ein absolutes No-Go für Fracking. Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit eines Frackingverbots versuchten sie den Bundesumweltminister, seines Zeichens Jurist, zu ermutigen, insbesondere im Hinblick auf
Artikel 2 Grundgesetz, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, und
Artikel 20a, die Verpflichtung des Staates, die lebenswerte Umwelt auch langfristig zu erhalten.
Den Hinweis des BI-Chefjuristen zu der Möglichkeit eines Frackingverbots auf Grundlage der Landeswassergesetze, die aufgrund der bundeseinheitlichen Regelungslücke existiert, nahm der Minister zur Notiz.