Trude, Lola, Dilara und die Spaßgesellschaft

Europäische Hauskatze, adult, getigert
Kater Carlo sagt: »Die Lage ist ernst für uns Haustiere in Deutschland.«
Sommer 2011, Quarantäne-Station im Tierheim Geesthacht. Dilaras Käfig ist mit einem Tuch bedeckt. Tierärztin Dr. Corinna Miriam Mick lüftet das Tuch vorsichtig und die bildschöne schwarze Katzendame dahinter gerät augenblicklich in Panik, faucht und spuckt, die Ohren zurückgelegt, die Pupillen schreckgeweitet. Das Tier, so erzählt die Tierärztin, war von Kindern am Waldrand gefunden worden. Böse Menschen hatten Dilara mit Spanngummis so fest an einen Baum gebunden, dass sie sich nicht selbst befreien konnte. Zuvor hatte es stundenlang geschüttet und die Feuerwehr musste das arme Tier, klatschnass, schmerzgepeinigt und außer sich vor Angst, befreien. Nun sitzt sie allein im Käfig, für den Rest ihres Lebens traumatisiert, kann nichts und niemanden mehr um sich vertragen. Dr. Mick wird die Wildkatze sterilisieren und anschließend in der Nähe des Fundorts wieder aussetzen, wie das Tierschutzgesetz es vorgibt.

»Wir sind immer wieder fassungslos und wütend, wenn Tiere schutzlos der Willkür gewalttätiger Menschen ausgesetzt sind, gequält und vernachlässigt werden.«, sagt die engagierte Tierärztin, die selbst schon sechs der herrenlosen Katzen aus dem Heim mit zu sich nach Haus genommen hat. Seit 2010 leitet sie zusammen mit Sabine Paffrath das Tierheim Geesthacht, die beiden haben in ihrem Berufsalltag schon so viel Entsetzliches gesehen, was Menschen Tieren antun, dass es schon ein starkes Nervenkostüm braucht, um diese Arbeit zu ertragen.

Trude und Lola, zwei betagte und äußerst nette Katzendamen, von ihren Besitzern einfach ausgesetzt
Trude und Lola, zwei betagte und äußerst nette Katzendamen, von ihren Besitzern einfach ausgesetzt
Die beiden hochbetagten Katzendamen Trude und Lola, beide über 15 Jahre alt und bis auf Trudes Blindheit kerngesund, sind auch so ein Beispiel für die Kaltherzigkeit mancher Menschen. Beide wurden ausgesetzt aufgefunden. Vielleicht hatten sie den Besitzern nicht mehr gepasst. Das käme gar nicht selten vor, sagt Dr. Mick bitter. Jahrelang sind die Tiere gut genug, um diese Menschen zu erfreuen, doch wenn sie alt geworden sind, werden sie einfach weggeworfen – wie ein altes Kleidungsstück, das nicht mehr schick genug ist.

Nun sucht das Tierheim nach Menschen, bei denen die beiden in Frieden alt werden dürfen. »Solche älteren Tiere geben wir gebührenfrei in gute Hände ab. Außerdem zahlt unser Tierschutzverein das Futter und nötige tierärztliche Behandlungen«, informiert Dr. Mick. So können auch Menschen, die keinen Cent zuviel in der Tasche haben, einem solchen Tier ein liebevolles Zuhause geben, wo es in Frieden alt werden kann.

Aber auch junge Tiere werden vermittelt, die Website des Tierheims stellt einige von ihnen vor. Außerdem sucht das Tierheim ständig ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die den Tieren ein wenig Lebensfreude und Anregung bringen, die Katzen streicheln, mit den Hunden Gassi gehen...

Plakat zur Rettung der Tierheime »Rettet die Tierheime«Weggeworfene Haustiere, ein gern verdrängtes, doch allgegenwärtiges Symptom unserer Wegwerfgesellschaft. Und dies, obwohl der Tierschutz als Staatsziel seit fast zehn Jahren im Grundgesetz steht und dadurch besonderen Stellenwert in der Bundesrepublik genießen sollte. Vor wenigen Tagen legte die Bundesregierung den Tierschutzbericht 2011 (PDF) vor. Der Bericht, so die Regierung, dokumentiert auf mehr als 60 Seiten den aktuellen Sachstand über die Haltung verschiedener Nutztierarten, den Transport von Tieren, Tierversuche und die Forschung und Entwicklung tierschutz-relevanter Fragen. Des Weiteren werden Gesetze und Verordnungen aufgelistet, die zur Verbesserung des Schutzes von Tieren beitragen sollen. In einem Anhang kann detailliert nachvollzogen werden, welche relevanten Rechtsvorschriften und Richtlinien derzeit im Tierschutz gelten. Die Tabelle auf Seite 50 gibt Auskunft über die Anzahl der geahndeten Straftaten nach Tierschutzrecht, sprich Tierquälerei etc. Hier darf wohl davon ausgegangen werden, dass es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Dilaras Peiniger zum Beispiel wurde soweit bekannt nicht gefasst und taucht somit in keiner Statistik auf.

Mit diesem Bericht kann man sich also darüber informieren, dass noch Vieles im deutschen Tierschutz im Argen liegt, und auch lernen, dass die Situation der deutschen Tierheime teilweise alles andere als rosig ist und sie dringend auf Hilfe und auf Spenden angewiesen sind. Zumindest solange, wie sich an der Einstellung mancher Menschen den Tieren gegenüber nichts zum Besseren ändert. Solange Tiere nach einer Zeit einfach rausgeworfen werden, solangeTiere weiterhin zum Spaß (oder auch aus vermeintlicher wirtschaftlicher Notwendigkeit) gequält werden. Wie Kater Carlo schon sagt: »Die Lage ist ernst«.

Aktualisierung: Lola hat inzwischen ein kuscheliges Sofa bei lieben Menschen gefunden.

Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Dieser Link ist nicht aktiv. Er enthält die Trackback-URI zu diesem Eintrag. Sie können diese URI benutzen, um Ping- und Trackbacks von Ihrem eigenen Blog zu diesem Eintrag zu schicken. Um den Link zu kopieren, klicken Sie ihn mit der rechten Maustaste an und wählen "Verknüpfung kopieren" im Internet Explorer oder "Linkadresse kopieren" in Mozilla/Firefox.

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.