Die traurige Geschichte von Bela, dem Bergedorfer

Stolpersteine Ernst-Mantius-Strasse, Bergedorf
Opa, Oma, Mutter, Vater, Kind: Die ganze Familie aus der Ernst-Mantius-Straße 5 von den Nazis ausgelöscht.
Der kleine Bela ist noch ein Baby, als er, seine Eltern und seine Großeltern von den Nazi-Schergen aus dem Haus getrieben werden. Dann hat man sie getrennt, die Eltern von Belas Mutter Inge nach Theresienstadt und die Eltern mit Kind nach Minsk deportiert. Wenig später, aber mit Sicherheit nach langen Qualen, sind sie tot, vier mit dokumentierten Todesdaten, die Fünfte ohne.

Dies ist, was die Stolpersteine erzählen, die im Gehweg vor Haus Nummer 5 in der Bergedorfer Ernst-Mantius-Straße eingelassen sind. Nicht die Füße, das Auge und der Kopf, die stolpern darüber. Hoffentlich. Zumindest die Augen all jener, die auch mal mit gesenktem Haupt des Weges gehen. Denn diese Stolpersteine erzählen die traurigen Geschichten von jüdischen, homosexuellen, politisch verfolgten, "Euthanasie"-ermordeten und weiteren Mitbürgern, die Hitlers Häscher ermordet haben.

Fast 4000 solcher Stolpersteine gibt es mittlerweile in Hamburg. Die Landeszentrale für politische Bildung und das Institut für die Geschichte der deutschen Juden haben jetzt den 12. Band in der Reihe »Stolpersteine in Hamburg - biographische Spurensuche« herausgebracht. Darin...

... beschreiben Ulrike Sparr, Björn Eggert und ihre Mitautorinnen und Mitautoren die Lebensgeschichten derer, für die Stolpersteine in den Stadtteilen Bergedorf, Bergstedt, Berne, Bramfeld, Dulsberg, Eidelstedt, Farmsen, Lokstedt, Lurup, Meiendorf, Niendorf, Ohlstedt, Osdorf, Poppenbüttel, Sasel, Schnelsen, Stellingen, Wellingsbüttel verlegt sind. Sie haben die Lebensläufe von mehr als 80 Personen recherchiert. Ihre Lebens- und Leidensgeschichten, illustriert durch Fotos und Dokumente, sind in dieser Publikation nachzulesen. Straßenkarten zeigen die Verlegeorte der Stolpersteine. Der Band ist - wie die bisher erschienenen - gegen eine Bereitstellungspauschale von je Euro 3,- im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung, Dammtorwall 1, in 20354 Hamburg, erhältlich.

Stolpersteine gibt es seit 2003. Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig verlegt die Steine, die mit einer Messingplatte verkleidet die Daten der Ermordeten zeigen, in den Gehwegen vor den Häusern, in denen die Opfer zuletzt gewohnt hatten. Stolpersteine gibt es überall in Deutschland, auch in allen Hamburger Bezirken.

Doch das war nicht immer so. Hier gibt es eine Geschichte am Rande, die auch nicht so schnell vergessen werden soll, auch wenn es noch einmal weh tut. Als 2003 das Projekt Stolpersteine anlief, wehrte sich der Bezirk Bergedorf zunächst gegen die Verlegung dieser trittfesten Mahnmale. Genau gesagt, war es nicht der Bezirk, der sich wehrte, sondern die Angehörigen der Schill-Partei und der CDU, die die Stolpersteine ablehnten. Mit Argumenten, die man als vernünftig nicht bezeichnen kann. Karsten Brookmann schrieb damals im Abendblatt allerlei Informatives zu dem Kasus und zitierte zum Schluss Ties Rabe. Der damalige SPD-Kreisvorsitzender in Bergedorf sorgte sich um das Image Bergedorfs, das in den Jahren zuvor immer wieder Aufmarschgebiet von Neonazis war: »Viele Menschen haben hart gearbeitet, den Ruf zu verbessern. Meine Sorge ist, dass Bergedorf nun wieder als ein Sammelbecken für Rückwärtsgewandte gelten könnte.«

Inzwischen liegen längst auch in Bergedorf Stolpersteine. 21 Treffer bringt die Suchmaschine auf www.stolpersteine-hamburg.de, immerhin. Leider enthält nicht einer der gefundenen Datensätze einen Biographieteil. Verglichen mit anderen Stadtteilen ist das noch ein sehr mageres Ergebnis. Aber das kann sich ja verbessern, die Recherchen laufen ja weiter, und noch in diesem Jahr 2012 soll der nächste Band von »Stolpersteine in Hamburg - biographische Spurensuche« erscheinen und 2013 noch einer. Wider das Vergessen. Dass die kleinen Belas nicht groß werden dürfen, das darf nie wieder passieren. Und der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch. Wie sich bis heute in den Ritzen der Gesellschaft zeigt, auch im Bezirk Bergedorf, in Jugendgruppen, in Schützenvereinen, beim Kaffeekränzchen blitzt faschistisches Gedankengut ab und an auf, reckt dreist das braune Köpfchen hoch und wird auch manchmal handgreiflich.

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