Gedenken an eine dunkle Zeit in Bergedorf

Angelika Schmidt, Petra Schmidt und Andrea Schlicht vorm Hasse-Turm
Drei für die Woche des Gedenkens: Angelika Schmidt, Petra Niemeyer und Andrea Schlicht vorm Hasse-Turm
Eine »Woche des Gedenkens« wollte das Antifaschistische Bündnis Bergedorf erstmals auch in Bergedorf auf die Beine stellen. Die Idee dazu kam vor ziemlich genau einem Jahr auf und wurde dem damaligen Chef des Bezirksamts, Dr. Christoph Krupp, angetragen. Der begrüßte den Vorschlag und sicherte sogleich die Unterstützung durch das Bezirksamt zu. Inzwischen liegt ein Jahr stramme Arbeit hinter der ca. 15 Köpfe starken Projekt-AG und ein sehr beachtliches Programm (PDF) vor uns. Das haben Andrea Schlicht von »Unser Haus e.V.«. Petra Niemeyer, Geschäftsführerin der »LoLa«, und Angelika Schmidt, Pastorin und Ehrenamtlichenkoordinatorin der sieben Gemeinden im Kirchspiel Bergedorf jetzt noch einmal ausführlich vorgestellt.

Die »Woche des Gedenkens« füllt locker mehr als zwei Wochen und dauert vom 13. bis zum 29. April 2012. Die Veranstaltungen – Vorträge, Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Stadtrundgänge, Theateraufführungen und Diskussionen – finden an Orten über den ganzen Bezirk verstreut statt. Es fiel den drei Frauen mehr als schwer, besondere Highlights im Programm zu benennen. Jede der über 30 Einzelveranstaltungen ist irgendwie wichtig, von unter die Haut gehenden Zeitzeugengesprächen mit Widerstandskämpfern bis zum kraftvollen Klezmer-Konzert wird ein Spektrum abgedeckt, in dem jeder etwas finden kann, der für das Grundmotiv der Gedenkwoche offen ist: Niemals dürfen die Gräuel des Faschismus vergessen werden. Schon allein wegen der allgegenwärtigen Gefahr ihrer Fortsetzung, wie wir sie z.B. an dem aktuellen NSU-Debakel sehen oder in dem drohenden Neonazi-Aufmarsch am 2. Juni in Hamburg, erklärte Schlicht, bevor dann doch einige Highlights aus dem Programm näher erläutert wurden.

Die »Woche des Gedenkens« fängt am Freitag, dem 13. April, um 20 Uhr mit einem Knaller an, wie Andrea Schlicht es ausdrückt: Den Zeitzeugen Hans Heisel, trotz seines hohen Alters unermüdlich unterwegs in Sachen antifaschistischer Aktion, konnte die AG für ein Zeitzeugengespräch im gewinnen. 1922 in Leverkusen geboren, kam Heisel, ein Kampfgenosse des auch nicht ganz unbekannten Stéphane Hessel, bald zur Résistance gegen die Nazi-Besatzung. Die Geschichte von einem zu hören, der im Widerstand dabei war, ist natürlich noch tausendmal besser als die Geschichte in einem Buch nachzulesen.

Vor dieser Veranstaltung im Café Flop (»Unser Haus« e.V.) an der Wentorfer Straße wird daselbst um 18 Uhr feierlich der neue Infoladen mit dem aufrüttelnden Namen »Unfassbar« eröffnet. Zum Infoladen gehört u.A. eine Bibliothek; interessante Buchspenden sind jederzeit willkommen.

Eine eher indirekte Zeitzeugin ist Maria von Bismarck, die Nichte von Maria von Wedemeyer. Maria von Wedemeyer war mit Dietrich Bonhoeffer verlobt, der kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg ermordet wurde. Der Briefwechsel des Paars ist ein bewegendes Zeitzeugnis, so legt uns Angelika Schmidt die folgende Veranstaltung ans Herz: Maria von Bismarck liest aus den Briefen ihrer Tante und Bonhoeffers am 17. April 2012 um 19:30 Uhr in der Kirche St. Petri und Pauli. Und bei einem Gottesdienst am 29. April um 10 Uhr in St. Michael auf dem Gojenberg berichten Bergedorfer Einwohnerinnen und Einwohner, wie das damals war, als sie mit ansehen mussten, wie ihre Nachbarn aus ihren Wohnungen geholt und deportiert wurden.

Der offizielle Auftakt der Gedenkwoche findet am Samstag, dem 14. April um 14 Uhr in der Stadtteilschule Bergedorf statt. Schüler und Lehrer haben eine Ausstellung über Zwangsarbeit in Bergedorf auf die Beine gestellt: »In Bergedorf habe ich meine Jugend gelassen«. Dass ganz junge Menschen, sogar Kinder, für Bergedorfer Firmen Zwangsarbeit verrichten mussten, kann man sich heute kaum noch vorstellen.

Um Zwangsarbeit geht es auch am Sonntag, dem 15. April. Um 14 Uhr wird der Zwangsarbeiter-Gedenkstein am Kampdeich (Serrahnufer am Fachmarktzentrum) enthüllt, freilich nur ein Modell aus Pappe. Das echte Mahnmal wird im September fertig sein, äußerlich so wie vom Skulpuristen Weyra entworfen, aber innen hohl. Aus Gewichtsgründen, wie Andrea Schlicht weiß. Sie erwähnt auch, dass diese Veranstaltung zur Sicherheit als Kundgebung angemeldet ist, wegen des Hausrechts, das den Veranstaltern ohne Weiteres erlaubt, Störenfriede des Platzes zu verweisen.

Im Übrigen gilt für die komplette Woche des Gedenkens, dass Personen, die der NPD, der DVU, der Die Freiheit, den Autonomen Nationalisten, den Freien Kameradschaften und jeglichen weiteren rechtsextremen Gruppierungen angehören oder die in der Vergangenheit als rechtsextrem oder rechtspopulistisch aufgefallen sind, keinen Zutritt haben.

Das Programmheft kann unter og. Link heruntergeladen werden oder als Hardcopy im Hasse-Turm, in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und an vielen weiteren öffentlichen Orten kostenlos mitgenommen werden.

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