Geschmackssache Labskaus

Labskaus, angerichtet»Wie schmeckt eigentlich Labskaus?« Das fragte neulich eine Bekannte, Pfälzerin von Herkunft, Schriftstellerin von Beruf und Fleischforscherin aus Passion. Zumindest, soweit es um Fleisch als linguistischen Belang geht. Ihre Forschungsergebnisse präsentiert sie gelegentlich auf ihrer Schlachterplatte, die sie lesend und schauspielernd an illustren Orten und unterstützt vom malenden Künstler Mark Krause dem hungrigen Publikum darbietet.

Tja, wie schmeckt Labskaus eigentlich?
Wie man Labskaus macht, kann man in einschlägigen Quellen, norddeutschen Kochbüchern und im Internet, nachlesen. Das beste bzw. bestgeschriebene (und meistkopierte) Rezept findet sich beim Plattmaster, der es, der Sache angemessen, in köstlich lakonischer Art schreibt, wobei die plattdeutsche Sprache diesen Eindruck noch unterstützt.

Woher der klingende Name Labskaus kommt, auch das kann leicht recherchiert werden. Sich das Wort auf der Zunge zergehen zu lassen reicht schon aus, um zu ahnen, dass diese so onomatopoetisch bezeichnete Speise auch sehr gut für zahnlose Mäuler geeignet ist.

Labskaus, eine Ansichtssache ...

Wie das (oder heißt es eigentlich der?) Labskaus visuell wahrgenommen, vulgo: gesehen wird, damit halten viele auch nicht hinter dem Berg: »Sieht aus wie ...« Nicht von ungefähr hat Labskaus auch einen Platz in der Hall of Fame der ekligen Speisen im deutschen Wikipedia-Eintrag zum Stichwort »Ekel«.
Die Optik ist sicher das hervorstechende Merkmal von Labskaus. Mit Labskaus konfrontiert, lassen sich viele von dessen Ansicht überrumpeln und verzichten auf die Geschmacksprobe. Offenbar genau die, die darüber schreiben würden, wenn sie denn was zu schreiben hätten, denn Geschmacksberichte finden sich zumindest in den leicht erreichbaren online-Quellen nicht und in der Literatur dient eher nur das Wort Labskaus an sich, nicht aber der Geschmack zur Verzierung von Titeln und Texten.

... und eine Geschmackssache

So kann ich also nur persönlich berichten und vermelden, dass mir Labskaus sehr lecker schmeckt und ich manchmal bedaure, dass es ein reines Winteressen ist. Weil es aus Zutaten hergestellt wird, die lange lagerfähig sind, weswegen dieses Gericht ursprünglich auch aus den Kombüsen der alten Segelschiffe stammt. Und im Sommer essen wir natürlich nur Frisches, versteht sich, und konservieren die Zutaten für die Wintergerichte.

Labskaus muss man sich vorstellen als warmen Kartoffelsalat, der zu oft durchgerührt worden ist. Vom vielen Rühren haben sich die Zutaten zu einer halbhomogenen, musigen Masse vereint. Die Hauptfarbrichtung ist hellfleischiges Rot. Das kommt von der Roten Bete, einem der Hauptbestandteile des Labskaus. Außerdem dabei sind Kartoffeln, Zwiebeln, Salz- oder saure Gurken und wahlweise Pökelfleisch oder Corned Beef. Alle diese Zutaten werden sehr fein zerkleinert und zusammengerührt; da kann sich jeder vorstellen, warum manche am optischen Eindruck des Labskaus herummäkeln.

»Old Commercial Room«, Englische Planke No. 10
Der »Old Commercial Room«, Englische Planke No. 10, hat die Goldmedaille für Labskaus erhalten.
Fisch gehört niemals in Labskaus. Dieser weit verbreitete Irrglaube lässt sich anscheinend nicht ausrotten. Vielleicht, weil südliche Republikbewohner alles, was aus dem Norden kommt, sofort und ohne Nachdenken mit Fisch assoziieren. Oder weil, Internet macht's möglich, neuerdings Labskaus-Rezepte mit Fisch als Zutat in Umlauf kommen.
Wenn man das will, kann Fisch höchstens in Form von saurem Hering oder Rollmops an die Seite des auf dem Teller angerichteten Mushaufens kommen, quasi als optische Anreicherung des Gesamtkunstwerks. Ein Spiegelei obendrauf ist dagegen Pflicht und ein paar Scheiben eingelegte Rote Beete und ein paar Gürkchen, ebenfalls nicht kleingeschnitten, gehören auch dazu.

Labskaus selber machen ist recht unaufwändig. Man kann die Pampe auch fertig in Dosen kaufen und einfach aufwärmen, zum Beispiel vom traditionsbehafteten Hamburger »Old Commercial Room«, wo der Koch anscheinend mehr davon zubereitet als sie im Lokal servieren können. Dieses Labskaus ist geschmacklich ganz okay, allerdings etwa so fett wie das Portemonnaie der prominenten Gäste aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltung, die dieses Etablissement frequentieren. Da braucht's dann tatsächlich unabdingbar den Köm, den der Plattmaster als obligat darstellt.

Labskaus, mehr als die Summe der einzelnen Teile

Ja, ich rede drumrum und winde mich, denn den Geschmack des Labskaus zu beschreiben ist wahrlich nicht einfach. Man kann es so sagen: Diese Gesamtkomposition, deren Einzelteile man schon mögen sollte, ergeben in ihrer Summe einen besonderen neuen Geschmack. Mir mundet Labskaus, wie gesagt, köstlich. Und zwar am zweiten Tag, wieder aufgewärmt und ganz leicht angebraten, noch besser als frisch gekocht.

Weder optisch noch geschmacklich steht eine der Zutaten im Vordergrund und doch kann man jede einzeln herausschmecken. Wenn man sich allerdings nicht darauf, sondern auf die geschmackliche Gesamtimpression inklusive Bratei einlässt, dann bietet sich den Geschmacksnerven eine äußerst harmonische, leicht erdige, im Abgang frisch würzige Sensation, zu der mir kein Vergleich einfällt. Der Geschmack ist so einzigartig köstlich, dass man über die eigenartige Konsistenz ohne Weiteres hinwegsehen kann.

Liebhaber berichten, man könne Labskaus ziemlich lange essen, weil es nach Mehr schmeckt, nur das Fassungsvermögen des Magens setzt die Grenze. Oder, so ist vom Hörensagen von den alten Seefahrern bekannt, es ist irgendwann genug davon, wenn es monatelang nichts anderes gab.
Kartoffeln, Rote Bete und konserviertes Fleisch sind die Hauptzutaten fürs Labskaus.
Kartoffeln, Rote Bete und konserviertes Fleisch sind die Hauptzutaten fürs Labskaus.

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