EuGH-Urteil: Ein guter Tag für Europas Gewässerschutz, ein schlechter für die Elbvertiefung

grafik: Historie der Elbvertiefungen.
Das heutige EuGH-Urteil könnte das Ende der fortlaufenden Elbvertiefungen bedeuten. (Grafik: Dr. Joachim Taubert)
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat heute ihr Urteil in der Klage gegen die geplante Elbvertiefung gesprochen. Demnach ist - vereinfacht gesagt - eine geplante Maßnahme, die Gewässer betrifft, bereits dann zu verbieten, wenn eine dadurch mögliche Verschlechterung der Wasserqualität nicht ausgeschlossen werden kann, und nicht erst dann, wenn eine solche Verschlechterung eintritt. Wesentliche Rechtsgrundlage für das Urteil über die Klage, die anlässlich der geplanten Weservertiefung eingereicht worden war, ist die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, mit deren Umsetzung sich die zuständigen Behörden nach wie vor schwer tun.

Das Aktionsbündnis aus BUND, NABU und WWF, das aktuell gegen die Elbvertiefung vor dem Bundesverwaltungsgericht klagt, erklärte: »Die Entscheidung des EuGH stärkt den Gewässerschutz in ganz Europa. Die Hürden für eine Genehmigung der Elbvertiefung sind höher geworden. Hamburg muss jetzt glaubhaft darlegen, wie trotz Vertiefung ein guter Zustand der Tideelbe konkret erreicht werden soll.«
Das Bundesverwaltungsgericht werde nach Einschätzung der Umweltverbände erst 2016 zu einem Urteil kommen, erwarten das Aktionsbündnis.

Auch der Förderkreis »Rettet die Elbe« e. V. begrüßte das EuGH-Urteil zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie. Es habe über den Anlass der Weservertiefung hinaus Bedeutung für die Praxis des Wasserrechts in Deutschland, erklärte der Förderkreis. In Hamburg sind demnach zwei vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängige Verfahren betroffen: Das zur Elbvertiefung und das zur Kühlwassereinleitung des Kraftwerks Moorburg. Letztere hatte im März 2015 auch schon zur Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens geführt (Hintergrund).

Der Förderkreis vermutet, dass das BVerwG beim KoKW Moorburg das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom Januar 2013 bestätigen wird, dass die Anlage nur mit Kreislaufkühlung betrieben werden darf. Die Umweltbehörde sollte deshalb unverzüglich die Revisionsklage zurückziehen und den von OVG und EuGH formulierten Fortschritt der Gewässerschutzpolitik anerkennen.

Mit seinem heutigen Urteil widerlege der EuGH die Philosophie der deutschen Wasserbehörden, die Wasserrahmenrichtlinie habe nichts mit der Genehmigungspraxis großer Vorhaben wie der Elbvertiefung zu tun, und wenn, dann müsse eine Verschlechterung der Gewässergüte um eine Klasse (von 5) zu besorgen sein, kommentierte der Förderkreis. Jetzt ist klargestellt, dass schon die Verschlechterung von nur einer Qualitätskomponente, z. B. des Sauerstoffhaushalts, genügt, um einem Vorhaben die Genehmigung zu versagen.

Mehr Rechtssicherheit - falls es daran gemangelt haben sollte - dürfte das Urteil z. B. auch den zuständigen Behörden in Deutschlands Kali-Revieren in Thüringen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen geben. Dort ringen die für den ober- und unterirdischen Gewässerschutz zuständigen Behörden mit dem deutschen Salz-Monopolisten K+S in ihrem Versuch, die Einleitung von salzhaltigen Abwässern und die weitere Errichtung von grundwassergefährdenden Salzhalden zu unterbinden - bislang ohne aus Gewässerschutzsicht zufriedenstellendes Ergebnis. Insbesondere Hessens Umweltministerin Hinz und die Flussgebietsgemeinschaft Weser sollten vor Freude Luftsprünge machen, haben sie doch nun ein höchstrichterlich bestätigtes Argument an der Hand, der verantwortungslosen Versalzung von Werra und Weser endlich einen Riegel vorzuschieben. Auch Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel wird dankbar sein, will er doch unbedingt verhindern, dass im Landkreis Hildesheim die nächste Kali-Halde entsteht.

Der Spruch des EuGH lautet im Original:

1. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme verpflichtet sind, die Genehmigung für ein konkretes Vorhaben zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder wenn es die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet.

2. Der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 ist dahin auszulegen, dass eine Verschlechterung vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine „Verschlechterung des Zustands“ eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i dar.

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Frank0815 am :

Na ja, hier klingt es anders:
https://tinyurl.com/p3l3kj6

"Nach Ansicht des führenden deutschen Experten für Wasserrecht, Michael Reinhardt, wird das EuGH-Urteil die Vertiefung von Weser und Elbe eher erleichtern als erschweren. "Der EuGH hat ein sehr pragmatisches Urteil gesprochen und damit einen Webfehler des europäischen Wasserrechts ausgeglichen", sagte Reinhardt, Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht."

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