Weltweit erstes Foto von Trollen gelungen -- in Bergedorf

Trolle betrachten ein SchlossMöglicherweise gibt es Trolle in Bergedorf durchgehend seit der ersten Besiedelung des Fleckens vor 11163 Jahren. Diese Hypothese basierte bisher aber nur auf Ammenmärchen und Malereien. Viele Experten zweifelten die Existenz von Trollen generell an und taten derartige Behauptungen als Spinnerei ab. Doch jetzt beweist die erste Fotografie, die jemals von diesen Wesen aufgenommen werden konnte: Es gibt Trolle wirklich -- eine wissenschaftliche wie gesellschaftspolitische Sensation!

Was keinem vor ihm gelang, hat unser Haus-und-Hoffotograf Peter Pan mit seiner psychoaktiven Kamera erreicht: Die Fotografie einer mehrtausendjährigen Trollmutter mit ihren Blagen, in ihrem typischen, bläulichen Leuchten und in der ihnen eigenen phantasmagorischen Überhöhung, wie sie lüstern auf das geschichtsträchtige Gemäuer des Bergedorfer Schlosses stieren, denn die Bergedorfer Trolle haben das Schloss, so stand es auch schon in der Zeitung, zum Objekt ihrer momentanen Begierde erkoren.

Weitaus auffälliger noch als ihre enorme Größe ...
Weitaus auffälliger noch als ihre enorme Größe, die freilich allein aus ihrer Eigenwahrnehmung herrührt, sind die akustischen Emissionen dieser Trolle, durchdringende Töne, ständig überhöhte Lautstärke und enervierende Repetitionen, die manchen Zeitgenossen zwingen, sich heimlich die Ohren zuzuhalten. Was auch nur bedingt hilft, den Trollereien zu entgehen, denn die Trolle, denen man eines nicht nachsagen kann, nämlich, dass es ihnen an Intelligenz mangelt, beherrschen die Kommunikation auf allen Kanälen, auch der schriftlichen, insbesondere aber der klandestinen in den Hinterzimmern, und sie beherrschen alle Methoden, insbesondere die der Rethorik, der Propaganda, der Demagogie und der Halb-, Viertel-, Achtel-, Sechzehntel- und Vierundsechzigstel-Wahrheit. Diese und weitere Register ziehen sie, um die Menschen einzulullen, sie zu verblenden oder auch in die Resignation zu treiben. Wer sich widersetzt, der wird gemobbt, ein Spielchen von gewissem Unterhaltungswert, dem sich manche Zeitgenossen schwer bis gar nicht entziehen können und zu dessen willfährigen Helfern sie sich wie unter Hypnose machen lassen. Besonders auch in der schreibenden Zunft suchen Trolle ihre Anhänger, denn erstens kann der Troll unserer Zeit selbst nicht gut schreiben, zweitens aus Kalkül und drittens ist der gemeine Troll faul und geizig und nutzt lieber bestehende Infrastrukturen auf fremde Kosten. Im Gegenzug dürfen solcherart ausgenutzte Dienstleister scheinbar am Einfluss partizipieren, den die Trolle vorgeben zu haben oder auch tatsächlich haben.

Ihre jahrhundertealte Verquickung mit den existierenden Regierungsstrukturen verhilft den Trollen bei der Erlangung ihres nächsten Lieblingsspielzeugs scheinbar zu ungeahnten Vorteilen, ermöglicht ihnen das doch, unter Zuhilfenahme völlig legaler Mittel der demokratischen Ordnung ihre Trollerei bis fast in den letzten Winkel unbehelligt auszuleben. Der Magister Konrad Maria Drochwaller (97), eine Koriphäe unter den Trollologen und Ehrenmitglied der Kimbrischen Loge der Freundlichen Wassergeister, der in den Zwanzigerjahren aus dem Pfälzer Wald nach Bergedorf zog und die Szene wie seine Westentasche kennt, meinte auf Nachfrage mit Schulterzucken: »Wenn das nicht wäre, könnte man ganz einfach die Grundregel befolgen: Ignore the troll. Da sie aber mit der Macht im Bett liegen, geht das nicht. Man muss sich auseinandersetzen, wenn man das Schlimmste verhindern will.«

»Dumm nur, dass einen die Beschäftigung mit diesen lästigen Trollen so penetrant von der eigentlichen Arbeit abhält«, hatte das Schlossgespenst noch unserem Fotografen in jener Nacht zugeraunt, als dieser sein Foto schoss und das Gespenst lautlos mit der Kette rasselnd im blauen Schein der Trolle an ihm vorbei schwebte.

Über Trolle:
Trolle, das sind diese drolligen Gestalten, die gar garstig sein können, wenn ihnen gerade danach ist. Und es ist ihnen oft danach, das ist ihr Naturell. Der einzige Daseinszweck der Trolle ist Trollen. Ihrer Umwelt auf die Nerven gehen. Stören, dazwischen plappern, Menschen gegeneinander aufhetzen und sich dann daran delektieren, wenn die Fetzen fliegen. Oder auch so lange quengeln, bis sie bekommen, was sie wollen, nur um es am nächsten Tag angeödet beiseite zu werfen und sich die nächste Gelegenheit zum Trollen zu suchen. Denn im Grunde seiner traurigen Seele sucht der Troll an sich nur ein bisschen Aufmerksamkeit, Liebe, ja, auch Macht und Anerkennung von seinesgleichen.
Trolle sind für das bloße Auge unsichtbar. Man kann sie nur sehen, wenn man im Besitz einer Spezialbrille nach Prof. Dr. Drochwaller ist, einem in seinen Kreisen hochgeachteten Trollforscher. Nach seiner Methode erhobene Trollfunde wurden jedoch bisher nicht anerkannt, weil sich einige Mächtige und Einflussreiche damit kompromittiert sahen und entsprechende Publikationen kurzerhand verboten.
(aus: Tautologisches Lexikon der Nebenwissenschaften, Band 3: Submystische und metaphysische Volkskunde Europas von 1789, 13. überarbeitete Aufl., 1997)


Immer wieder und in den letzten Monaten gehäuft wurden von Trägern der Drochwallerschen Brille Trolle in Bergedorf gesichtet und beobachtet, wie sich diese nur äußerlich wandlungsfähigen Wesen tagsüber meist unauffällig unters Volk mischen, sodass niemand auf die Idee kommen würde, dass vielleicht die blonde Dame da oder der nette Herr dort mit der adretten Fliege in Wahrheit Trolle sind. Nachts, und da decken sich die Beobachtungen über die Jahrhunderte, kommt ihre wahre Gestalt zum Vorschein, wie man sie von Bildern aus alten norwegischen Märchenbüchern kennt. Manche Trolle leuchten im Dunkeln, was ihre Hässlichkeit noch unterstreicht, denn hässlich sind sie und dass es niedliche Trolle gibt, ist ein Gerücht, welches die Spielzeugindustrie lanciert hat.

Anmerkung der Redaktion: Sie können sich sicher vorstellen, liebe Leserinnen und Leser, wie aufgeregt unser Fotograf von seiner nächtlichen Exkursion an den Rand des Schlossgrabens zurückkehrte. Er war sich selbst nicht sicher, ob er nicht alles nur geträumt hatte. Der Redaktionsarzt bescheinigte ihm jedoch umgehend, im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte zu sein. Der Redaktionstechniker mutmaßte eine Dysfunktion der psychoaktiven Kamera und zerlegte diese in ihre Einzelteile, konnte aber auch nur den altersgerechten Normalzustand aller Parameter konstatieren. Der Grafiker drehte jedes Pixel der Aufnahme dreimal um und konnte aber keine Manipulation erkennen. Die Fotografie wurde, in ein samtausgeschlagenes Kästlein verpackt, per Boten in die Skandinavischen Institute für Trollkunde im schwedischen Kiruna und in Å auf den Lofoten gebracht, wo unabhängige Spezialexperten die zweifelsfreie Echtheit der Aufnahme verifizierten. Aufgrund dieser überwältigenden Bestätigung hat sich die Redaktion nach reiflicher Überlegung entschlossen, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, diese Geschichte nicht vorzuenthalten. Bitte seien Sie so frei und halten Sie nicht hinter dem Berg damit, was Sie über das alles denken. Die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag ist für Ihre Anmerkungen da.

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