Alles oder Nichts: Offener Brief aus der Museumsstiftung

Bergedorfer Museum in den Gulli?Mit einem Offenen Brief [PDF] haben sich die drei Museumsdirektoren Prof. Kirsten Baumann, Prof. Lisa Kosok und Prof. Torkild Hinrichsen und der Vorstand und kaufmännische Direktor der SHMH Helmut Sander an die Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler und die Fraktionsvorsitzenden in der Hamburgischen Bürgerschaft gewandt. Sie reagieren damit öffentlich auf das vom Bezirksamt Bergedorf vorgelegte, noch nicht offiziell veröffentlichte »Konzept des Bezirksamts Bergedorf zur Überführung des Museums für Bergedorf und die Vierlande sowie des Rieck Hauses in die Verantwortung des Bezirks Bergedorf vom 22.06.2012«. Die Vier sehen in dem Konzept eine »Entmündigung und Missachtung der historischen Museen und der professionellen Museumsarbeit in Hamburg«, wodurch »über die nationalen Grenzen hinaus anerkannte Museen einem provinziellen Denken und einer kurzfristigen Stimmengewinnstrategie geopfert« würden. Sie formulieren den »dringenden Appell«: »Das Konzept darf daher in der vorliegenden Form nicht umgesetzt werden. Unser Votum ist: Ganz oder gar nicht.«

Der Offene Brief setzt sich im Wesentlichen auf der fachlichen Ebene mit dem Bezirkskonzept auseinander. Seine Autoren sehen in dem Bergedorfer Konzept einen massiven Eingriff in die fachlich-inhaltlichen Belange professioneller Museumsarbeit und eine Missachtung der international gültigen ICOM-Richtlinien [PDF], weil die Einheit von Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln nicht nur inhaltlich auseinander gerissen, sondern auch unterschiedlichen Dienstherren unterstellt werden soll. Zudem wird bemängelt, dass die Stiftung für das Bezirksamt Bergedorf Leistungen erbringen soll, für die nicht bezahlt wird.

Das Bezirksamt Bergedorf, das den Antrag der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft (Drucksache 20/1969 [PDF]) sowie einen Beschluss der Bezirksversammlung (Drucksache XIX/0128 [PDF]) abarbeitet, mochte heute zu den gemachten Vorwürfen keine Stellung nehmen. Dessen Sprecher, Dr. Andreas Aholt, verwies auf den noch bestehenden Abstimmungsbedarf mit Stiftung und Kulturbehörde. Das Konzept, so Aholt, sehe u.a. vor, dass »zwischen dem Bezirksamt und der SHMH eine dauerhafte Kooperation vereinbart wird, die u.a. den kostenfreien Zugriff auf Sammlungsgegenstände durch Leihgabe sowie verlässliche Kooperationen in den Bereichen Sammlung, Restaurierung, Werkstatt, Museumsdienst und Beratungsleistungen regelt.« Das Bezirksamt Bergedorf gehe davon aus, »dass diese Kooperationsvereinbarung gemeinsam und konstruktiv von SHMH, Kulturbehörde und Bezirksamt in den nächsten Monaten erarbeitet wird und Abstimmungsprobleme in der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen SHMH und Bezirksamt verhindert« werden können, verlautbarte Aholt.

»Im Übrigen«, so Aholt weiter, »kommentiert das Bezirksamt den Brief nicht, der nicht an das Bezirksamt Bergedorf gerichtet ist, und blickt einem konstruktiven, lösungsorientierten und bis zur Ergebnisfindung - und entsprechenden Diskussionen in den gewählten politischen Gremien - nicht-öffentlichem Dialog entgegen.«

Während von der SPD noch keine Reaktion auf den Offenen Brief zu vernehmen war, sieht Christa Goetsch, kulturpolitische Sprecherin der Hamburger Grünen in der Bürgerschaft, darin eine »Entmachtung der Kultursenatorin« durch »den Bergedorfer SPD-Klüngel« und erinnert Dennis Gladiator (CDU) an das eigentliche Ziel, nämlich die Stärkung der Kompetenzen vor Ort: »Das Schreiben des Stiftungsvorstandes und der Museumsdirektoren zeigt, wie verfahren die Verhandlungen über das Bergedorfer Museumskonzept sind, denn nach wie vor sind die zentralen Fragen zur Zukunft der Bergedorfer Museen ungeklärt. Das Museum für Bergedorf und die Vierlande und das Rieck Haus brauchen eine klare und sichere Perspektive für die Zukunft und keine riskanten Kompromisslösungen. Oberstes Ziel muss die Stärkung der Kompetenzen vor Ort sein, damit sowohl die wissenschaftliche Arbeit als auch der wichtige Bereich der Vermittlung ausgebaut werden können.«

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Kultursenatorin zu dem Ganzen öffentlich-transparent äußert. Ihre Ansagen dürften die für den kommenden Herbst angesetzte Bürgerschaftsdebatte und -entscheidung in geeignete Bahnen lenken. Und dass sich die Senatorin, im Gegensatz zum Bergedorfer Bezirksamt (das erklärtermaßen hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Verantwortlichen bei der Stiftung arbeitet, wie wir seit dem Offenen Brief nun wissen, die für ihre Entscheidungen nötigen Informationen von allen fachlich Involvierten holt, inklusive der Stiftung und der Freundeskreise) ist bekannt. Für die Kulturbehörde sind MBV und Rieck-Haus »nur« Teilaspekte einer weitaus umfangreicheren Aufgabe und so mag man dort nun auch nicht direkt auf die Details eingehen, die im Offenen Brief thematisiert sind: »Wir haben aus der Bürgerschaft den klaren Auftrag, ein tragfähiges Konzept für die Stiftung Historische Museen zu entwickeln. Dieses Konzept ist im Moment - im Dialog mit allen Beteiligten - in Arbeit, aber noch nicht abgeschlossen. Eine abschließende Bewertung ist erst nach Abschluss angebracht.« sagt Stefan Nowicki, Pressesprecher der Kulturbehörde.

Wie sich die »Freunde des MBV« grundsätzlich bisher zu der Entwicklung stellen, ist ebenfalls bekannt. Ob sich an dieser grundsätzlichen Haltung etwas ändern wird, wenn deren Hauptversammlung am kommenden Mittwoch vorüber ist, wird nicht nur in Bergedorf mit Spannung erwartet.

Terminhinweis: Am Montag, dem 6. August, will das Bezirksamt im Ausschuss für Sport, Kultur und Schule (Beginn der Sitzung 17:30 Uhr im Kleinen Sitzungssaal, Rathaus, Wentorfer Straße 138) unter TOP 5 einen »Sachstandsbericht Museen« abgeben.




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