Museale Verselbständigung: Das Für, das Wider und die Alternative(n)

Fassade Bergedorfer Schloss mit Plakat zur Haase-Ausstellung
Auch im Regen schön: Das einzige Schloss auf Hamburger Boden steht in Bergedorf.
Der Vorstand des Vereins »Freunde des Museums für Bergedorf und die Vierlande« lädt seine Mitglieder zur Diskussion über die Zukunft des Museums für Bergedorf und die Vierlande (MBV) ein: Am 22. März 2012 um 19:30 Uhr soll es im Schloss Bergedorf um die Erörterung des Für, des Wider und der Alternativen einer Herauslösung des MBV und des Rieck-Hauses aus der Stiftung Historische Museen (SHMH) und die Überführung der beiden Häuser in die Leitung durch den Bezirk Bergedorf gehen. In der dreiseitigen Einladung fasst der 1. Vorsitzende des Vereins, Rechtsanwalt Harm Reese, die Ergebnisse der Diskussion zusammen, die der Vorstand auf der Grundlage des Konzeptpapiers von Arne Dornquast geführt hat. Dieses Konzept hatte der Bezirksamtsleiter am 8. Februar im Kulturausschuss vorgestellt.

Das Ziel, ein lebensfähiges, noch besseres, attraktives und seit langem wieder auskömmlich finanziertes Museum zu schaffen, ist Konsens aller Akteure. Allein, der Weg dorthin gibt reichlich Anlass zur Debatte. Denn obwohl alle bisher vorgelegten Ideen und Konzepte große Schnittmengen bei Details aufweisen, gibt es Dissens über die grundlegende Frage, ob die Herauslösung der beiden Häuser aus der SHMH die einzig mögliche Lösung ist oder sein muss. Der Vorstand der »Freunde« legt diese Problematik in seinem Einladungsschreiben dar und berichtet von seinen Vorüberlegungen als Grundlage für die Diskussion in der kommenden Woche.

Die beklemmende Situation, die es zu lösen gilt, ist Jahre alt. Die chronisch ungenügende Finanzierung der SHMH könnte unter anderem auch den Fortbestand des MBV und des Rieck-Hauses bedrohen. Die SPD Bergedorf hat mit ihrer Initiative 2011 die aktuelle Diskussion angestoßen. Sie drängt auf Herauslösung von Rieck-Haus und MBV aus der Stiftung und sieht die beiden Häuser im Prinzip ab 2013 in bezirklicher Obhut: "Mit dem Bürgerschafts-Beschluss im Dezember über den Haushalt 2013/2014 wird dann alles abgeschlossen, damit Museum und Rieck-Haus an den Bezirk Bergedorf wechseln können.", schreibt Gerd Lein, einer der Protagonisten der SPD-Linie, repräsentativ auf seiner Website. Dem gegenüber sieht der Vorstand der »Freunde« die Vorteile einer Herauslösung noch nicht als erwiesen und positioniert sich deutlich vorsichtiger: »Bevor die Bürgerschaft über die Herauslösung entscheidet, sollen nun Für und Wider sowie Alternativen diskutiert werden, damit die Zukunft unseres Museum solide geplant und finanziert werden kann.«, heißt es einleitend in seinem Einladungsschreiben.

Der Vorstand der »Freunde« setzt sich zusammen aus Harm Reese (1. Vorsitzender), Olaf Matthes (2. Vorsitzender), Christa Timmermann (Schatzmeisterin), Anette Kröger (Schriftführerin), Dr. Klaus Daur, Ursula Hillmer, Wolfgang Riepe, Bardo Metzger und Marianne Römmer. In ihrer Diskussion verorteten sie als Hauptfrage die Frage, »ob eine komplette Überführung des Museums in die Trägerschaft des Bezirks unter organisatorischen und fachlichen Gesichtspunkten notwendig ist.« Denn sie sehen in einem solchen Schritt eine potentielle Schwächung der Häuser. »Durch die Herauslösung aus der Stiftung droht u.a. ein erhblicher Verlust an Know-How, Zugriff auf Einrichtungen und Sammlungsbestände der Stiftung, Austausch der wissenschaftlichen Mitarbeiter sowie die Vernetzung aller Häuser und Freundeskreise.« So schlussfolgert der Vorstand: »Bevor durch die Herauslösung unabsehbare Risiken eingegangen werden, sollte eine Kooperation in Erwägung gezogen werden. Die Stiftung muss hierbei in die Pflicht genommen werden, ihre Kernaufgaben, also die des Sammelns, Bewahrens, Erforschens und Vermittelns wahrzunehmen. Hierzu gehören ein verlässlicher Etat für Sonderausstellungen, eine vernünftige personelle Ausstattung sowie ein Aufwertung der Stellung des Museumsleiters.«

Die »lebhafte, faire und ergebnisorientierte Debatte zum Wohle des Hauses«, zu der Harm Reese die mehr als 400 Mitglieder des Vereins einlädt, soll die bisherige, vorwiegend von Politikern geführte Diskussion, ergänzen.


»Kulturhauptstadt Hamburg«

Noch ist nichts entschieden. Die Haushaltsplanungen im Bezirk und in der FHH sind in vollem Gange, bei den strikten Sparvorgaben, die der beschlossene Schuldenabbau bedingt, rauchen die Köpfe darüber, an welchen Stellen Einschnitte am wenigsten weh tun. Die erste veröffentlichte Grobplanung [PDF] des Bezirks zeigt, dass die Ausstattung der Bezirksämter insgesamt so wenig auskömmlich ist, dass sie nicht einmal ihren gesetzlichen Verpflichtungen angemessen nachkommen können. Das Ressort »Kultur«, zu dem die Hamburger Museen gehören, kommt hier noch gar nicht vor und es ist zu fragen, wie die Kultur im kommenden Haushalt behandelt werden soll. Und erste Fragen und Forderungen werden auch schon gestellt, jedenfalls in der Bürgerschaft:

Hafenmuseum: Projekt Oral History sichern - Hafengeschichte bewahren!: Beantragt: 2 mal 250 TEU (für ein neues SHMH-Projekt)

Hafenmuseum: Sanierungsfonds 2020 - Hochwasserschutz der 50er-Schuppen sichern!: Beantragt: 2 Mio EU (Stiftung Maritim)

50er-Schuppen und Hafenmuseum durch neuen Anleger attraktiver machen!: Beantragt: 700 TEU

Sanierungsfonds 2020 - Hamburger Sternwarte Bergedorf: Beantragt: 1 Mio EU

Und für die SHMH forderte die Bürgerschaftsfraktion Die Linke. schon Ende 2011 Mittel zur Stärkung von Hamburgs Kultur und hier konkret u.a. die Aufstockung des SHMH-Budgets um die 1 Mio EU, die fehlt, sowie eine Aufstockung des Sonderausstellungsbudgets um 2 Mio EU, das an alle Hamburger Museen verteilt wird.

Helmut Sander, Geschäftsführer der SHMH, hat nach Auskunft von Andreas Aholt, Bezirkssprecher Bergedorf, erste Zahlen geliefert, mehr werden folgen. Die Kultur-Troika von Bezirksamtsleiter Arne Dornquast kann wie avisiert mit der Feinplanung des Museumskonzeptes fortfahren. Und zusehen, wie die Hingabe, mit der die Bergedorfer Museen gestärkt werden müssen, budgetär untermauert und auskömmlich gestaltet werden kann.

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