Verwaltung muss sich fragen lassen: Ist diese Sondermüllverklappung auf Hamburger Stadtgebiet zulässig?
Geschrieben von Redaktion am
»Die Bohrung Groß-Hamburg 2 wird noch als Einpressbohrung betrieben.« Aufgrund dieser Information aus dem Landesbergamt (LBEG) wurden Umweltschützer im vergangenen Monat auf eine bisher unbekannte Praxis bei Bergbehörden und Öl-/Gaskonzernen in Deutschland aufmerksam. Denn besagte Bohrung Groß-Hamburg 2 (GH2) liegt mitten in einem Wohngebiet - in Sinstorf in der Freien und Hansestadt Hamburg. Bekannte Ein- oder Verpressbohrungen waren bisher nur außerhalb von Ortschaften bekannt.
Das der GH2 nächstgelegene Haus steht in 35 Metern Entfernung, der erste von mehreren Dauerkleingärten gegenüber liegt etwa genauso dicht an der Bohrung. Erstaunt stellten die Aktivisten dann auch noch fest, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in ca. 50 Metern Entfernung, just in diesem Moment der B-Plan für ein Neubaugebiet heranreift. Hier soll Lebensraum für Familien geschaffen werden, damit sie nicht ins Umland ziehen müssen.
Auf Grund der schon bekannten Probleme mit solchen Bohrungen, in die die flüssigen, teils hochgiftigen Abfälle aus der Erdöl- und Erdgasproduktion (sog. Lagerstättenwasser) »entsorgt« werden, regten die Entdecker dieser erstaunlichen Konstellation - Sondermüllverklappstelle zwischen Kräutergarten und Hollywoodschaukel - zwei parlamentarische Anfragen durch Abgeordnete an. Sie wollen insbesondere wissen, wie die Einpressbohrung GH2 in derartiger Nähe zu Wohn- und Gartenarealen mit dem geltenden Recht vereinbar ist. Darüber hinaus soll die Verwaltung sagen, wie sie für die Sicherheit des Rohrnetzes sorgt, das weiträumig unter dem Hamburger Vorort Sinstorf verläuft und in dem das Lagerstättenwasser zur GH2 transportiert wird.
Das der GH2 nächstgelegene Haus steht in 35 Metern Entfernung, der erste von mehreren Dauerkleingärten gegenüber liegt etwa genauso dicht an der Bohrung. Erstaunt stellten die Aktivisten dann auch noch fest, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in ca. 50 Metern Entfernung, just in diesem Moment der B-Plan für ein Neubaugebiet heranreift. Hier soll Lebensraum für Familien geschaffen werden, damit sie nicht ins Umland ziehen müssen.
Auf Grund der schon bekannten Probleme mit solchen Bohrungen, in die die flüssigen, teils hochgiftigen Abfälle aus der Erdöl- und Erdgasproduktion (sog. Lagerstättenwasser) »entsorgt« werden, regten die Entdecker dieser erstaunlichen Konstellation - Sondermüllverklappstelle zwischen Kräutergarten und Hollywoodschaukel - zwei parlamentarische Anfragen durch Abgeordnete an. Sie wollen insbesondere wissen, wie die Einpressbohrung GH2 in derartiger Nähe zu Wohn- und Gartenarealen mit dem geltenden Recht vereinbar ist. Darüber hinaus soll die Verwaltung sagen, wie sie für die Sicherheit des Rohrnetzes sorgt, das weiträumig unter dem Hamburger Vorort Sinstorf verläuft und in dem das Lagerstättenwasser zur GH2 transportiert wird.
Lagerstättenwasser ist urzeitliches Tiefenwasser. Es ist um ein Vielfaches salziger als Meerwasser und enthält grundsätzlich teilweise krebserregende Stoffe, Schwermetalle und häufig auch radioaktive Substanzen. Im Zuständigkeitsbereich des LBEG vergeht kaum eine Woche, in der nicht mindestens ein Vorfall durch defekte Lagerstättenwasserleitungen zu verzeichnen ist. Die Bürgerinitiative FrackingFreies Hamburg-Harburg führt eine »Störfallliste« der Öl- und Gasindustrie: Dort wird ersichtlich, dass Vorfälle mit ausgetretenem Lagerstättenwasser die Störfallstatistik mit Abstand anführen.
Harburger Bezirksverwaltung nicht auf dem Laufenden
In der Begründung zum B-Plan Sinstorf 22 steht zu lesen: »... östlich des Plangebiets liegt zudem ein nicht mehr genutztes Erdölfördergrundstück (Flurstück 1619)«. In ihrer Kleinen Anfrage vom letzten Montag heben die Harburger Linken vor allem auf die »Bauleitplanung Sinstorf 22« ab und fragen nach einer »Analyse des Umfeldes wegen eventueller Umweltbelastungen durch ehemaliges Erdölfördergebiet«. In der begleitenden Pressemitteilung der Linken heißt es dazu: »In der Begründung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Sinstorf 22 wird das gegenüber liegende Flurstück nur als “nicht mehr genutztes Erdölfördergrundstück“ ausgewiesen (siehe Bebauungsplan S.12). Auf mögliche Belastungen durch die aktuelle Nutzung geht der Bebauungsplan in keiner Weise ein. Es fragt sich, ob die planende Behörde des Bezirks Harburg überhaupt umfänglich über die Nutzung des Grundstückes informiert wurde und ob das eventuelle Risiko für zukünftige Bewohnerinnen und Bewohner ausreichend erkundet wurde.«
Eine Antwort der zuständigen Behörde wird für die kommende Woche erwartet.
Senat muss zur Zulässigkeit des Betriebs von GH2 und des Lagerstättenleitungsnetzes in Hamburger Wohngebieten Stellung nehmen
Weitaus umfangreicher als die bezirkliche Anfrage in Harburg gestaltet sich die Schriftliche Kleine Anfrage des Bürgerschaftabgeordneten Jens Kerstan von den Grünen vom 22.08.2014. Mit insgesamt 21 Einzelfragen bittet er den Senat um Informationen zu folgendem Hintergrund:
Die als „Einpressbohrung“ genutzte Tiefbohrung Groß Hamburg 2 (GH2) ist am Sinstorfer Weg 71, 21077 Hamburg-Harburg gelegen (Flurstück 1619). Sie befindet sich somit nicht nur am Rand des Grundwassereinzugsgebietes des Wasserwerks Bostelbek mit seinen Brunnen in 300 Metern Tiefe, sondern auch inmitten eines derzeit überwiegend mit Wohnhäusern bebauten Gebietes.
Der Abstand von GH2 zum nächsten Wohnhaus sowie zum nächstgelegenen Dauerkleingarten beträgt jeweils ca. 35 m. Das aktuelle B-Plan-Verfahren Sinstorf-22 sieht auf der GH2 gegenüberliegenden Straßenseite ca. 115 Wohnungen für Familien mit Kindern vor. Die entsprechend B-Plan direkt am Sinstorfer Weg vorgesehenen Wohnhäuser würden einen Abstand von ca. 50 m zu GH2 haben.
Laut NIBIS-Kartenserver des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) ist GH2 am 18.10.1960 von der Preussag zum Zweck der Erkundung und Gewinnung von Erdöl niedergebracht worden. In der Begründung des B-Plans Sinstorf-22 heißt es, dass „östlich des Plangebiets … zudem ein nicht mehr genutztes Erdölfördergrundstück (Flurstück 1619)“ liegt. Tatsächlich aber wird GH2 heute von dem Unternehmen GdF Suez betrieben und dient laut Auskunft des LBEG als „Einpressbohrung“.
Die Bohrung GH2 hat inzwischen ein Alter von fast 54 Jahren erreicht und steht in ihrer Zeit als Einpressbohrung unter dauerhaftem Druck. Entsprechend den Ergebnissen jüngerer Forschungen zur Bohrlochintegrität versagt diese bei 60 % aller Bohrungen, die unter dauerhaftem Druck stehen, bereits nach 27 Jahren, z. B. durch Risse in der Zementation, durch Korrosion oder auch durch geomechanische Einflüsse.
Gemäß § 30 BVOT müssen Betriebsanlagen, von denen in Stör- oder Schadensfällen Gefahren für die Umgebung ausgehen können, (...) von Gebäuden, öffentlichen Verkehrsanlagen und ähnlichen zu schützenden Gegenständen so weit entfernt errichtet werden, dass Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Personen vermieden werden und eine ungehinderte Bekämpfung der Gefahren möglich ist.
GH2 ist an ein weitläufiges, bis nach Niedersachsen reichendes System von Lagerstättenwasserleitungen angeschlossen. Diese verlaufen innerhalb des Betriebsplatzes am Sinstorfer Weg 71 oberirdisch in einem Wall und setzen sich außerhalb ca. 1 Meter unter der Erdoberfläche bzw. in geringerer Tiefe unter Grabensohlen fort. Dieses Leitungssystem befindet sich somit auch unterhalb bebauter Grundstücke und öffentlicher Infrastruktur.
Allein seit 2012 sind rund 40 Vorfälle mit defekten Lagerstättenwasserleitungen bzw. Nassölleitungen im Zuständigkeitsbereich des LBEG bekannt geworden. Am 13.05.2008 ereignete sich lt. LBEG mit einem Austritt von 1000 m³ ölhaltigem Lagerstättenwasser im benachbarten Bewilligungsfeld Fleestedt ein Vorfall innerhalb des Leitungssystems, an das auch GH2 angeschlossen ist. Auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg ist ebenfalls mindestens ein solcher Vorfall aufgetreten (Erdölfeld Allermöhe/Reitbrook, 1970er-Jahre). In allen Fällen kam es zur Kontamination von mehreren Hundert bis mehreren Tausend Quadratmetern Oberfläche durch Lagerstättenwasser. Lagerstättenwasser ist hochsalin, enthält Schwermetalle, organische Substanzen sowie häufig auch radioaktive Stoffe und ist somit ein hochproblematischer Stoff, der u. A. schwere Gesundheitsschäden (z. B. Krebs) bis hin zum Tod hervorrufen kann.
Falls die umfangreiche Kleine Anfrage nicht zu einer Großen Anfrage umgewandelt wird, ist wahrscheinlich noch diese Woche mit einer Antwort des Senats zu rechnen.
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