Grapenmühlen: Fragen und Antworten zur Giftwasserverklappung in der Bohrung Wittorf Z1

Verpressbohrung Wittorf Z1, ausgekoffertes Areal
Wittorf Z1: Ausgelaufende Giftbrühe (Ende Mai 2013) verstärkt die Zweifel an der Zulässigkeit der Verpressung von Abwässern aus der Gasförderung.
Die Verpressbohrung Wittorf Z1 bei Grapenmühlen, Stadt Visselhövede, Landkreis Rotenburg/Wümme, ist eine der prominentesten der rund 40 Bohrungen, in denen die Gas- und Ölindustrie ihre giftigen Abwässer verklappt. Der letzte gravierende »Zwischenfall« an dieser Bohrung Ende Mai des Jahres hat die Öffentlichkeit erneut aufgeschreckt.

Viele Fragen zu Wittorf im Speziellen und zur Entsorgungspraxis im Allgemeinen wurden daraufhin gestellt und früher oder später auch beantwortet. Dass das zuständige Landesbergamt die Entsorgung von giftigem Lagerstättenwasser aus der Erdgasförderung ins Erdreich neu bewerten will und dass die technisch durchaus mögliche Reinigung des Abwassers nicht Stand der Technik sei, fand Johannes Heeg von der Wümme-Zeitung heraus. Jürgen Schulz vom Sprecherrat der Initiative »Kein Fracking in der Heide« ermittelte unter anderem das Ausmaß der Verpresserei in Wittorf Z1.

Frühere Produktionsbohrung für Erdgas, jetzt Verpressstelle für Abwässer aus der Gasproduktion: Wittorf Z1 (Quelle: LBEG)
Frühere Produktionsbohrung für Erdgas, jetzt Verpressstelle für Abwässer aus der Gasproduktion: Wittorf Z1 (Quelle: LBEG)
Von 667.468 Kubikmetern verpressten Abwassers ist da die Rede, das bis Ende 2012 in dieser Bohrung verklappt wurde. Ein Ende der Verpressung oder eine Höchstmenge sei nicht festgelegt, berichtet Schulz. Derek Mösche, Pressesprecher der Betreiberin RWE Dea, teilte am 13. Mai 2013 mit: »Kumulativ sind durch die Wittorf Z1 bis zum 31.03.2013 672.422,6 m³ Lagerstättenwasser in den Kalkarenit eingebracht worden.« Bei diesen Größenordnungen spielt es keine Rolle, wenn das LBEG einen etwas älteren Stand kommuniziert.

Wo das LBEG aber gar nicht auf Stand ist, ist die jährlich zugelassene Verpressmenge. Dazu berichtet Mösche, ebenfalls am 13.05.2013: »Das jährlich zugelassene Einpressvolumen von 40.000 m³ wurde am 22.01.2002 nach Prüfung gem. §§55 und 56 des Bundesberggesetzes - BBergG und unter Beteiligung des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung (NLfB) mit dem Aktenzeichen 30/01/II-Prie-6145 B Erdgas als Sonderbetriebsplan durch das LBEG zugelassen. Die Erfassung der Versenkmengen erfolgt über eine Betriebsmessung, die täglich protokolliert und in einen Tagesbericht (IBIS) übertragen wird. Außerdem finden Befahrungen durch die Aufsichtsbehörde LBEG statt. Die DNV Zertifizierungs und Umweltgutachter GmbH hat im Rahmen eines externen Audits außerdem bescheinigt, dass die internationalen Standards OHSAS 18001, DIN EN ISO 14001 und DIN EN ISO 9001 eingehalten werden.«

Betrachtet man die Mengen, die in den Jahren 2011 und 2012 laut LBEG in Wittorf verklappt wurden, dann möchte man gleich nachfragen, wie verbindlich die festgeschriebene Maximalmenge von 40.000 m³/Jahr gemeint ist, denn in beiden Jahren wurde diese Menge um mehrere Tausend Kubikmeter überschritten.

Im Lichte dieser Ungenauigkeit sind andere Aussagen und Zusicherungen von Betreibern und Behörden alles andere als vertrauenerweckend. »Wie aus geologischer und bergbaulicher Erkundung bekannt und durch unabhängige Gutachten bestätigt, sind die oberflächennahen Grundwasserleiter von den in einer Tiefe zwischen 1.000 und 1.500 Meter liegenden aufnehmenden Schichten durch mehrere hundert Meter mächtige Tertiäre Tone und Tonmergelschichten voneinander getrennt. Diese dichten und undurchlässigen Tonschichten bilden eine hydraulische Barriere, die einen Austausch von Wässern zwischen den Horizonten verhindert.« (Mösche, RWE Dea, 13.05.2013) Zwischen Verpresstiefe von knapp 1000 Metern und der Sohle des Trinkwassergewinnungsgebietes »Rotenburger Rinne« liegen grade mal rund 600 Meter Gestein, das von Störungen durchzogen ist und auch schon einige Male von Erdbeben geschüttelt wurde.

Äußerst besorgniserregend finden das Wasserversorger und Anwohner. Sie kennen die zwei Bohrungen Wittorf Z1, Ende der 1970er nahe einer Bruchzone und direkt im Quellgebiet des Grapenmühlenbachs abgeteuft, ganz genau. Die erste Bohrung war in erheblicher Tiefe fehlgeschlagen, wobei ein Teil des Bohrgestänges im Untergrund verbleiben musste. Die zweite, heute als Verpressstelle dienende Bohrung dicht daneben stieß in rund 2000 Metern Tiefe auf ein Solevorkommen: Die 80° C heiße Sole schoss unkontrolliert aus dem Bohrloch heraus. Aufgrund des hohen Schwefelgehaltes im Untergrund war die Bohrmannschaft mit Schwefelschutzausrüstung ausgestattet, der Bohrmeister hatte einen gasdichten Container »und machte sich große Sorgen wegen eines möglichen Schwefelgasausbruches«, wie ein Zeitzeuge berichtete.

Diese Bohrung war aber nur wenige Monate produktiv. Ein neuer Bohrturm wurde errichtet und es wurde weitergebohrt, dann auch in horizontaler Ablenkung in südlicher Richtung. In dieser Horizontalbohrung wurde gefrackt, »mit frisch aus USA importierten Pumpen, die über 1000 bar erreichen konnten. Der Frackingvorgang, dem man heute kritisch gegenübersteht, war damals nur imponierend.«, wie ein Anwohner berichtet. Wann die Erdgasproduktion hier aufhörte, ist nicht bekannt. 1994, als mehr Raum für die unterirdische Verklappung der flüssigen Abfälle aus der wachsenden Gasförderung benötigt wurde, wurde Wittorf Z1 teilverfüllt und 1995 zur Versenkbohrung umgewidmet. Die bisher verpresste Menge ist nun bekannt; unbekannt ist das Verhalten der Brühe im Untergrund - eine Zeitbombe, wie viele fürchten. In den Bächen in und um Wittorf blubbert es derweil, Ursache unbekannt.


Antwort des LBEG auf meine Anfrage nach NUIG § 3, eingegangen heute:

Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie
Postfach 51 01 53, 30631 Hannover
Frau Carin Schomann
??????
??? Hamburg
Bearbeitet von Frau Andrea Schmidt
Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom (03.06.2013/24.06.2013)
Mein Zeichen (Bei Antwort angeben) Z.7-3/L00804-02/2013-0045/011

Zwischenbescheid nach dem Niedersächsischen Umweltinformationsgesetz (NUIG); Wittorf Z1

Sehr geehrte Frau Schomann,
mit E-Mail vom 24.06.2013 begehren Sie Informationen über die Versenkbohrung Wittorf Z1. Ihre E-Mail stellt einen Antrag nach dem NUIG dar. Gemäß § 3 Satz 1 NUIG hat jede Person einen Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. Ein Anspruch auf Informationszugang besteht jedoch nicht, wenn schutzwürdige Belange nach § 3 Satz 2 NUIG in Verbindung mit §§ 8, 9 UIG (Umweltinformationsgesetz) vorliegen.

Da etwaige Ablehnungsgründe nicht gegeben sind und das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) auch über die begehrten Informationen verfügt, wird Ihrem Antrag hinsichtlich der gestellten Fragen hiermit stattgegeben.
Aus diesem Grund gebe ich Ihnen folgende Auskünfte:

1. Seit wann ist diese ursprünglich produktive Bohrung zur Versenkbohrung umgewidmet? Bitte fügen Sie Ihrer Antwort den entsprechenden damaligen zugelassenen Betriebsplan sowie den Zulassungsbescheid und, falls inzwischen Änderungen eingetreten sind, den aktuell gültigen Betriebsplan sowie den dazugehörigen Zulassungsbescheid bei.
Die Bohrung wurde 1994 teilverfüllt und auf Versenkbetrieb umgestellt. Seit 1995 wird sie als Versenkbohrung genutzt.

2. Von wo stammen die Flüssigkeiten, die seit Beginn dort verpresst wurden/werden, und woraus bestanden/bestehen sie außer aus Sole, z.B. BTEX, PAK, Hg, Radium, Rückstände aus Frac-Flüssigkeiten etc.?
Das Lagerstättenwasser stammt aus den Bohrungen, die von der RWE Dea operiert werden. Dazu gehören u.a. Bohrungen in den Erdgasförderfeldern Völkersen, Völkersen Nord, Hemsbünde und Bötersen.
Das Injektionswasser besteht aus folgenden Bestandteilen:
Barium
Calcium
Eisen
Kalium
Lithium
Magnesium
Natrium
Strontium
Blei
Quecksilber
Chlorid
Sulfat
Nitrat
Bromid
BTEX.

3. In welcher Tiefe wird verpresst und wie ist der Verpresshorizont beschaffen? Werden die Beschaffenheit des Verpresshorizonts und die Ausbreitung der verpressten Flüssigkeiten überwacht? Falls ja, haben sich dort seit Beginn der Verpressung Änderungen am Gestein des Verpresshorizonts ergeben und welche?
Das Lagerstättenwasser wird in 932m Teufe eingeleitet. Der Versenkhorizont ist der Kalkarenit. Die Bohrung wird drucküberwacht. Der Unternehmer beobachtet den Versenkhorizont und wertet die Daten aus.

4. Wieviel Flüssigkeit (in Litern) ist der Versenkbohrung im ersten Betriebsjahr, im Jahr 2011, im Jahr 2012 und seit Inbetriebnahme insgesamt verpresst worden? Falls zutreffend: Wie hoch ist der kumulierte Anteil von Feststoffen (in Kilogramm) in der bisher verpressten Flüssigkeit?
In der Versenkbohrung wurden
im ersten Betriebsjahr: 1.272 m3
im Jahr 2011: 42.681 m3
im Jahr 2012: 45.566 m3
seit Inbetriebnahme insgesamt: 667.468 m3 (Stand: 31.12.2012)
Flüssigkeiten verpresst. Die Feststoffe werden vor dem Einleiten in das Bohrloch abgeschieden.

5. Sofern das nicht aus den Betriebsplanzulassungsbescheiden hervorgeht: Wie wird der sichere Betrieb der Verpressstelle (z.B. gem. BImSchG, TA Luft und hinsichtlich der Schutzgüter Boden und Grundwasser) monitoriert und gewährleistet?
Der Sondenplatz Wittorf Z1 und seine Anlagen fallen nicht unter die Genehmigungspflicht des BImSchG bzw. der 4. BImSchV. Es finden in der Regel keine Immissions bzw. Imissionsmessungen von Luftschadstoffen statt. Ein sicherer Betrieb wird durch den Aufbau des Sondenplatzes mit Unterscheidung des inneren und äußeren Bereiches gewährleistet. Weiterhin wird die Bohrung kontinuierlich drucküberwacht.

6. Im zweiten Halbjahr 2012 wurde eine Disintegrität des Ringraums der Verpressbohrung entdeckt (s. Visselhöveder Nachrichten, 06.10.12). Derek Mösche, Sprecher der RWE Dea aus Hamburg sagte lt. der Zeitung: „Die Bohrung speist Lagerstättenwasser in den Kalkarenit ein. An dieser Bohrung wurde ein Druckaufbau im Ringraum festgestellt, der auf eine Durchlässigkeit der Zementierung innerhalb der Bohrung hinweist. Lösungen werden erarbeitet und mit dem Bergamt abgestimmt.“ - Hat eine solche Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes vorgelegen und wenn ja, in welcher Teufe? Falls die Störung verifiziert wurde: Ist inzwischen eine Lösung gefunden und umgesetzt worden und wenn ja, wie sah die Lösung aus?

Dieses Reparaturprogramm ist nicht durchgeführt worden. Die Ringräume jeder Bohrung werden kontinuierlich von den Betrieben überwacht. Die Unternehmen sind dazu angehalten, Auffälligkeiten zu untersuchen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Bei Druck- und Temperaturmessungen an der Bohrung Wittorf Z1, stellte sich heraus, dass keine Leckage an der Verrohrung vorlag.

7. Im Vorfeld der Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes am 24.Mai 2013, bei dem lt. Ihrer Pressemitteilung ca. 200 l kontaminierte Flüssigkeit ausgelaufen seien, haben nach mir vorliegenden Augenzeugenberichten auf dem Betriebsgelände über mehrere Wochen Bautätigkeiten, möglicherweise auch Revisionsarbeiten an der Bohrung stattgefunden. Was genau waren das für Arbeiten und wie stehen sie in Zusammenhang mit dem Vorfall vom 24.Mai?
Aufgrund von staatsanwaltlichen Ermittlungen darf zu diesem Vorfall keine Auskunft gegeben werden.

8. Neuerdings sind auf dem Betriebsgelände zwei mobile Apparaturen „EZ Clean Design“ der Firma Baker Corp. nebst externen Aktivkohlefiltern aufgestellt. Was hat zu der Aufstellung geführt und welchen Zweck sollen die Apparate erfüllen?
Die beiden Tanks der Firma Baker Corp. wurden für eine Temperaturmessung an der Bohrung Wittorf Z1 benötigt. In diesen Tanks befand sich Lagerstättenwasser, dass in die Bohrung Wittorf Z1 versenkt wurde. Diese mobilen Tanks sind nach Abschluss der Temperaturmessung vom Platz der Wittorf Z1 abtransportiert worden.

Darüber hinaus muss ich Ihnen mitteilen, dass eine Zusendung der begehrten Unterlagen bislang leider nicht möglich ist. In den Unterlagen befinden sich schutzwürdige Belange der Firma RWE Dea. Nach § 3 Satz 2 NUIG in Verbindung mit § 9 Absatz 1 Satz 3 UIG bin ich daher verpflichtet, eine Anhörung durchzuführen, die noch nicht abgeschlossen ist. Selbstverständlich bin ich weiterhin bemüht, Ihnen die gewünschten Unterlagen so schnell wie möglich zukommen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Andrea Schmidt

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Kommentare

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Ingo Engelmann am :

Saubere Arbeit, Carin! Frau Schmidt vom LBEG hatte sicher gut zu tun, ihre Antworten so LBEG-untypisch ausführlich zusammen zu stellen. Ich gehe davon aus, dass nichts dagegen spricht, diesen Text (natürlich wie immer unter sorgfältiger Herkunftsangabe) zu verwenden.
Gruß Ingo

Carin am :

Moin Ingo,

selbstredend kann und soll dieser Text weiterverwendet werden. Texte und Bilder auf dieser Website stehen, sofern nicht anders vermerkt, unter der Creative Commons Lizenz CC-BY 3.0.

Und ja, das LBEG hatte zu tun, um meine Fragen zu beantworten, aber das gehört zu seinen Aufgaben als Behörde, dafür erhalten die Mitarbeiter schließlich auch ein ordentliches Gehalt, das Du und ich mit unseren Steuern bezahlen.

Dennoch ist es dem LBEG wieder nicht gelungen, meine Fragen vollständig in der im NUIG festgelegten, erweiterten Frist von 8 Wochen zu beantworten. Wie Du sehen kannst, steht ein Teil der Antworten immer noch aus: Die Betriebspläne und die dazugehörigen Zulassungsbescheide fehlen immer noch!

Ich wurde vor einigen Wochen informiert, dass das LBEG das Unternehmen anhören muss, das die Zulassung(en) innehat. Offenkundig zieht sich diese Anhörung hin. Das LBEG ist ganz klar nicht in der Lage, diese Anhörung in einer angemessenen Zeit über die Bühne zu bringen und mein Informationsbegehren innerhalb der vorgeschriebenen Frist vollumfänglich zu beantworten. Woran das liegt, ob das Unternehmen mauert, ob das LBEG mutwillig die Antwort verschleppt, ob das LBEG personell unterbesetzt ist, ist mir zunächst völlig egal. Fakt ist, mein Recht auf Information wird missachtet, und die Behörde kommt ihrer Pflicht nicht nach. Diese Erfahrung haben in den letzten Monaten viele gemacht. Die Transparenz, mit der die Öl- und Gasbohrunternehmen in der Presse angeben, die suchst Du hier vergeblich.

Du fragst in einem Deiner Berichte über Blue Mountain/Kimmeridge: »Muss man denn immer alles einklagen?« Ich denke, es ist leider so.

Schöne Grüße,

Carin

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