Oben pfui, unten pfui: Sondermüll in alte Bohrlöcher verklappen

Bohrlochskopf der Verpressbohrung Wittorf Z1 auf nicht-versiegeltem Boden.
Bohrlochskopf der Verpressbohrung Wittorf Z1 auf nicht-versiegeltem Boden.
Endlich kommt die unterirdische Sondermüllverklappung der Öl- und Gasbohrindustrie auf den Tisch! Der Arbeitskreis des Landkreises Rotenburg/Wümme hat am 11.12.2013 zum zweiten Mal getagt und laut einem Bericht in der Rotenburger Rundschau am nächsten Tag kam Ungeheuerliches ans Licht:
»Aus unserer Sicht ist die aktuelle Variante sicher und wäre nach wie vor die beste Lösung, weil man nicht so tief bohren muss und keine weiten Anfahrtswege hat.«, habe Dr. Nicolai Delling von RWE Dea in der Sitzung gesagt. Übersetzt heißt das, die Industrie hat bisher die billigste Variante der Entsorgung praktiziert, ohne sich einen Deut darum zu kümmern, welche Folgen akut und langfristig auftreten könnten und welchen Gefahren sie die Wasserversorgung der Bevölkerung aussetzen.

Die zuständige Bergbehörde (LBEG) hatte dies alles zugelassen. Ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und ohne zu prüfen, ob wasser- und abfallrechtliche Erlaubnisse für eine derartige Sondermüllentsorgung erforderlich sind. Seit August 2011 sei das LBEG verpflichtet, zu prüfen, ob eine wasserrechtliche Erlaubnis für eine neue Verpressbohrung erforderlich sei, so antwortete 2012 der als Fachaufsicht zuständige Minister Bode auf die Frage des jetzigen Umweltministers Wenzel. Damit erweckte Bode den Anschein, es habe vorher keine wasser- und abfallrechtlichen Vorschriften gegeben, die bereits damals zu beachten waren.

Die damaligen Versäumnisse begründen Zweifel, ob die vor 2011 eingerichteten Versenkbohrungen und die Verklappung des Flowback aus Frac-Bohrungen und des giftigen Lagerstättenwassers überhaupt legal sind.

Das LBEG hatte zuletzt, auf Grund vermehrter kritischer Nachfrage und des wachsenden Drucks bis hin zu Strafanzeigen gegen die Verpresserei und wegen eingetretener Schäden eingeräumt, dass die Rückverpressung des mitgeförderten Lagerstättenwassers genau dorthin, wo es herkommt, eine bessere Variante wäre. Inzwischen, seit mindestens einem halben Jahr, heißt es auch von Seiten der Industrie, dass man diese Entsorgungsmethode vorbereite. Umgesetzt hat man sie aber noch nicht, die vermutlich illegale Verpresserei geht weiter wie gehabt.

Förder- und Verpressbohrungen im Landkreis Rotenburg/W. (Grafik: <a href="http://frack-loses-gasbohren.de/fracking-regional/">BI Frackloses Gasbohren</a>)
Förder- und Verpressbohrungen im Landkreis Rotenburg/W. (Grafik: BI Frackloses Gasbohren)
Allein im Landkreis Rotenburg/Wümme sind davon bekanntermaßen noch 5 Altbohrungen betroffen. Sie heißen, von West nach Ost, Sottrum Z1, Wittorf Z1, Söhlingen H1, Grauen H02 und Gilkenheide Z1. In ihnen sind mittlerweile Milliarden Liter flüssigen Sondermülls verklappt worden, nicht rückholbar, unkontrollierbar und sich unterirdisch ausbreitend, auch in Trinkwassergewinnungsgebiete wie die Rotenburger Rinne (die inzwischen stillgelegte, aber weiterhin genehmigte Verpressstelle Panzenberg liegt mitten in einem Trinkwasserschutzgebiet!), aber mit kleinstmöglichem Kostenaufwand der Industrie, für größtmöglichen Gewinn bei der Ausbeutung von Öl und Gas.

Möglicherweise sind bereits gesundheitsschädliche Folgen dieser fragwürdigen Praxis zu beklagen. In Wittorf, das in nur einem knappen Kilometer entfernt von der Verpressstelle Wittorf Z1 liegt, häufen sich die Krankheitsfälle. Krebs, Lungenerkrankungen, neurologische Krankheiten... »Jeder zweite ist hier krank!«, sagte ein Dorfbewohner. Von verdorbenem Brunnenwasser ist die Rede und von sprudelndem Wasser in Bächen, von toten Fischen, sagten die Wittorfer der Presse.

Die Verpressbohrung Wittorf Z1 ist seit 1995 als Sondermüll-Verklappstation in Betrieb. Die zugelassene Jahreshöchstmenge von 40 Tausend Kubikmetern Sondermüll ist mehrfach überschritten worden, nach Auskunft des LBEG 2011 um 2.681 m³ und im Jahr 2012 um 5.566 m³. Im Mai 2013 war es am Bohrlochskopf zu einem Vorfall gekommen, bei dem Giftmüll ins oberflächliche Erdreich gelangte.

Kritisch äußerte sich auch Dr. Matthias Bantz, Facharzt für Innere Krankheiten und Umweltmedizin in Rotenburg, in einem Leserbrief an die Rotenburger Rundschau zu den Ausführungen des o. g. Industrievertreters: »... man kann über diese bewusste Schönrednerei und Bagatellisierung der Risiken nur überrascht den Kopf schütteln. Es handelt sich um ein potenziell ernsthaftes gesundheitliches Problem für unsere Bevölkerung.«

Bohrlochplan Wittorf Z1 nach der Teilverfüllung (= Herrichtung zur Verpressbohrung)
Bohrlochplan Wittorf Z1 nach der Teilverfüllung (= Herrichtung zur Verpressbohrung)

Nicht nur flüssiger, sondern auch fester Giftmüll in der Altbohrung

Nachdem die kontinuierliche und, so muss vermutet werden, illegale Entsorgung von flüssigem Sondermüll aus der Öl- und Gasproduktion auf die billige Art nun endlich am Pranger steht, wird es auch Zeit, auf eine weitere fragwürdige Praxis hinzuweisen: Die Entsorgung von festem Sondermüll aus der Öl- und Gasproduktion beim Verfüllen von Altbohrungen.Der Sonderbetriebsplan zur Teilverfüllung der ehemaligen Förderbohrung Wittorf Z1 [PDF] und Umwidmung zu einer Verpressbohrung gibt eine erste Ahnung: Hier sind 1994 insgesamt etwa 7,5 Kubikmeter quecksilberhaltiges Material auf 1,5 Kilometern Länge verscharrt worden. Lt. Betriebsplan:
»Im Teufenbereich ca. 3800 m bis 2900 m sollen ca. 6,8 m³ Hg-haltige Rückstände aus dem Gasbetrieb Söhlingen eingebracht werden. Diese Abfälle wurden im Betrieb Söhlingen in 95 Stück 4 1/2" Steigrohren (ca. 870 m Länge) gesammelt. Im Teufenbereich 2400 m - 2300 m ... sollte ca. 1,7 m³ Hg-haltige Rückstände aus dem Gasbetrieb Hemsbünde eingebracht werden. Diese Rückstände wurden in 7" Casingen abgefüllt. Sowohl die 4 1/2" Steigrohre als auch die 7" Casinge wurden oben und unten mit Stahlplatten verschweißt.«

Dieses Ansinnen war vom Oberbergamt in Clausthal-Zellerfeld ohne Weiteres zugelassen worden und es ist davon auszugehen, dass der Plan auch so etwa umgesetzt wurde.

Kein Mensch weiß, in welchem Zustand sich die Behälter heute, nach 20 Jahren im warmen, feuchten Untergrund befinden. Auch weiß niemand, in welchem Zustand sich die Bohrung in jenem Bereich heute befindet und ob sich das Quecksilber inzwischen eigene Wege sucht. Hier ist noch viel zu bohren und Rechenschaft einzufordern.

NACHTRAG: Erst nach erneuter Nachfrage gab das LBEG eine weitere Unterlage heraus, die zum Zulassungsverfahren des Sonderbetriebsplans Wittorf Z1 gehört: Die Stellungnahme des NLfB (Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung) zum Änderungsantrag, mit dem RWE Dea die Erhöhung der jährlichen Verpressmenge von 20 auf 40.000 m³ jährlich sowie die zusätzliche Einleitung von "Reinigungswässern" und "verunreinigtem Oberflächenwasser" erreichen wollte.

Die Stellungnahme ist hier.

4 Schöpfwerke für die Vier- und Marschlande

Archimedische Schraube aus Holz im Freilichtmuseum Rieck-Haus
Das älteste, erhaltene Schöpfwerk der Vier- und Marschlande ist ein Museumsstück: Archimedische Schraube aus Holz im Freilichtmuseum Rieck-Haus
Auf der Novembersitzung des Regionalausschusses wurden zwei große Wasserprojekte vorgestellt: Das dräuende Problem der Binnenhochwässer soll unter der Leitung des Landesbetriebes für Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) gelöst und die Wiedervernässung der Borghorster Elbwiesen von der Projektrealisierunggesellschaft (ReGe) durchgeführt werden. Insgesamt 4 Schöpfwerke sollen dafür entlang der Elbe gebaut werden.

Dr. Karl Hähne, LSBG, und Gunnar Harms, Ingenieurbüro Grontmij Gmbh, Stade, stellten die Planung der Binnenentwässerung dar, wie sie seit Sommer 2012 weiterentwickelt wurde. 5 verschiedene Varianten hatten sie unter Zugrundelegung hydraulischer Modelle und Nutzen-Kosten-Betrachtungen berechnet. Am günstigsten habe dabei die Variante abgeschnitten, bei der insgesamt 3 Schöpfwerke im Hauptdeich errichtet werden: Am oberen Ende der Dove-Elbe (ca. Deich-Km 4,5) zur Entlastung von Curslack und Altengamme, am Zollenspieker zur Entwässerung der gefährdeten Gebiete Seefeld und Riepenburg und bei Neudorf zur Entlastung von Ochsenwerder. Die Tatenberger Schleuse, bislang einzige Entwässerung der Vier- und Marschlande, soll so bleiben, wie sie ist: Ohne Pumpen und daher nur bei Normalwasser der Elbe in der Lage, das Binnenhochwasser zu entwässern. Der Ausbau der Schleuse zum einzigen Schöpfwerk hätte für den östlichen Teil der Vier- und Marschlande keinen Effekt, so die Fachleute.

Im ersten Schritt soll das Schöpfwerk an der oberen Dove-Elbe angegangen werden. Dazu soll die Dove-Elbe zwischen Stichkanal und Elbdeich ca. ½ Meter vertieft, 1–2 Meter verbreitert und teilweise verlegt werden. Die Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) sei nahezu abgeschlossen, erste Gespräche mit Anwohnern haben bereits stattgefunden, berichtete Dr. Hähne. Die Frage, ob Eigentümer enteignet werden könnten, werde derzeit vom Rechtsamt geprüft. Er rechne damit, das der Planfeststellungsantrag im Herbst 2014 eingereicht, die Planfeststellung im Herbst 2015 erfolgen werde, sodass Anfang 2016 mit dem Bau begonnen werden könne.

Das Überschwemmungsgebiet, das die BSU im Auftrag der EU an der oberen Dove-Elbe ausweisen will, werde durch die Maßnahme nicht überflüssig, so Hähne auf die erstaunten Fragen der Abgeordneten.

Schema Vier- und Marschlande m. Wasserbauwerken
Viel weiter vorangeschritten ist das Projekt der Wiedervernässung der Borghorster Elbwiesen. Hier soll der Schleusenleitdamm etwa auf Höhe des Pumpwerks Altengamme geöffnet und die Tide auf die Elbwiesen beiderseits des Horster Damms einschwingen. Der Horster Damm soll auf den Leitdamm verlegt werden. Ein kombiniertes Sperr-/Schöpfwerk, ein leicht angehöhter Querriegel am Mischwerk und eine Randdrainage am Hauptdeich im Bereich Vossmoor sollen verhindern, dass das Vossmoor, der Osten Altengammes und das Industriegebiet Geesthacht absaufen.

Das Projekt, das eine Ausgleichsmaßnahme für das anfangs des Jahrtausends industriell zerstörte Naturschutzgebiet „Mühlenberger Loch“ darstellen soll, wurde 2012 planfestgestellt und ist jetzt, nach Rückzug der letzten Klage dagegen, vollziehbar. Noch diesen Winter sollen die ersten Bäume auf dem Leitdamm fallen; der Beginn der Erdarbeiten ist für das 2. Quartal 2014 geplant. Vorher soll an Gebäuden und Grundstücken, die von steigendem Grundwasser durch diese Maßnahme betroffen sein könnten, eine Beweissicherung durchgeführt werden, so Semrok.

Die Stadt Geesthacht möchte, dass der Leitdamm, der kein Hochwasserschutzbauwerk ist, zu einem solchen ausgebaut wird. Die ReGe prüft zurzeit, ob dies ohne neues Planfeststellungsverfahren möglich ist.

RgA: Die Vier- und Marschlande im Zeichen des Klimawandels

Überschwemmte Wiese nach Starkregen (am Horster Damm/Vossmoor)
Überschwemmte Wiese nach Starkregen (am Horster Damm/Vossmoor)
Der Regionalausschuss befasst sich in seiner kommenden Sitzung am 19.11.2013, 18 Uhr (Lauweg 16, 21037 Hamburg) erneut mit dem Wasser. Nachdem bei der letzten Sitzung die vorläufige Planung für neue/erweiterte Überschwemmungsgebiete vorgestellt wurde, geht es dies Mal um die Binnenentwässerung und um die Vernässung der Borghorster Elbwiesen

T a g e s o r d n u n g:
1. Öffentliche Fragestunde
2. Binnenentwässerung Vier- und Marschlande; Referent: Herr Dr. Hähne, LSBG
3. Projekt Borghorster Elbwiesen; Referent: Herr Semrok, ReGe Hamburg
4. Mitteilungen der Verwaltung
4.1. Kontrolle der Beschlüsse des Regionalausschusses (XIX-1744)
5. Maßnahmen der Bestandspflege an Bäumen und Büschen in der Saison 2013/14 an Gewässern und Hochwasserschutzanlagen
6. Genehmigung der Niederschrift der Sitzung vom 22.10.2013
7. Verschiedenes

Fracking: Welche Strategie verfolgt das MELUR?

Hamburgs Wassereinzugsgebiete, zunehmend überlagert von Fracking-Erlaubnisfeldern
Hamburgs Wassereinzugsgebiete, zunehmend überlagert von Fracking-Erlaubnisfeldern
Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat eine umfangreiche Anfrage der Piratenpartei zum Fracking beantwortet [PDF]. Demnach sollen Anträge für Öl- und Gassuche im Land zukünftig ein bisschen transparenter gehandhabt werden und der Schutz des Wassers ein bisschen mehr in den Fokus rücken, bestehendes Recht soll ein bisschen besser ausgeschöpft werden. Damit ist die Debatte ums Fracking ein kleines Bisschen voran gekommen, denn nun wird die Position des zuständigen Energiewendeministeriums MELUR etwas klarer. Eine echte Annäherung an das im Koalitionsvertrag kategorisch propagierte Fracking-Verbot -- »Wir lehnen Fracking ab« -- sehen Kritiker darin allerdings nicht: Die vermeintlichen »Zugeständnisse« seien Gummiaussagen und letztendlich werde dem verfahrensführenden Landesbergamt weiterhin freie Hand gelassen -- und dessen Praxis ist bekanntlich eher industriefreundlich als umweltbewusst.

In Hamburg wird das Geschehen im nördlichen Nachbarland mit Argusaugen beobachtet, denn dessen potenzielle Fracking-Gebiete überdecken Hamburgs Wassereinzugsgebiete großflächig -- wie z.B. das Aufsuchungsgebiet Schwarzenbek, in dem der größte Teil des Einzugsgebiets des Wasserwerks Curslack liegt, das u.a. das Hamburger Zentrum mit trinkbarem Wasser versorgt.

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Die Verschmutzung der Meere stoppen

Kamilo Beach, Big Island, Hawaii,USA via Wikipedia
Umsetzung der MeeresstrategieRahmenrichtlinie (MSRL) –
Veröffentlichung von Berichtsentwürfen zum Meeresschutz für die Beteiligung der Öffentlichkeit


Die Meere sind in keinem guten Zustand. Plastikmüllinseln so groß wie Schleswig-Holstein oder größer, Atommüllfässer im Ärmelkanal, vor den Kanarischen Inseln und vor Ost-Afrika, flüssige Abfälle, die im Meer legal oder illegal verklappt werden, Öl- und Gasplattformen mit ihrem Ausstoß von toxischen Bohrflüssigkeiten, Lagerstättenwässern und Öl... die Liste dessen, was die Meere alles schlucken müssen, lässt sich lange fortsetzen.

Am 15. Juli 2008 ist die Europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL 2008/56/EG) in Kraft getreten.

Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um spätestens bis zum Jahr 2020 einen guten Zustand der Meeresumwelt zu erreichen oder zu erhalten und vorrangig anzustreben, seinen Schutz und seine Erhaltung auf Dauer zu gewährleisten und eine künftige Verschlechterung zu vermeiden. Die Anfangsbewertung, eine Beschreibung des guten Umweltzustandes und die Umweltziele für die deutsche Nord- und Ostsee sind im Juli 2012 veröffentlicht worden.

Als nächster Verfahrensschritt sind jetzt Überwachungsprogramme aufzustellen:
Überwachungsprogramme gemäß § 45 f Abs. 1 WHG zur Umsetzung von Art. 11 MSRL – Teil A Rahmenkonzept.

Der entsprechende Berichtsentwurf liegt vor. Gemäß Artikel 19 der MSRL und § 45 i des Wasserhaushaltsgesetzes ist dieser von den zuständigen Behörden zu veröffentlichen. Innerhalb von sechs Monaten kann die Öffentlichkeit zu den Unterlagen Stellung nehmen.

Die Dokumente sind seit dem 14. Oktober 2013 auf der Internetseite www.meeresschutz.info veröffentlicht. Auf dieser Seite wird Ihnen auch ein Formular angeboten, mit dem Sie die Möglichkeit haben, Stellungnahmen und Anregungen an die dort genannte Anschrift zu übermitteln. Darüber hinaus liegt ein Exemplar des Berichtes in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Raum G.04.351, Neuenfelder Straße 19, 21109 Hamburg, zur Einsicht aus.

Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite zur MSRL der BSU.

Siehe auch: MELUR: Monitoring für den Meeresschutz: Startschuss für die Öffentlichkeitsbeteiligung zum Überwachungsprogramm der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie

Grapenmühlen: Fragen und Antworten zur Giftwasserverklappung in der Bohrung Wittorf Z1

Verpressbohrung Wittorf Z1, ausgekoffertes Areal
Wittorf Z1: Ausgelaufende Giftbrühe (Ende Mai 2013) verstärkt die Zweifel an der Zulässigkeit der Verpressung von Abwässern aus der Gasförderung.
Die Verpressbohrung Wittorf Z1 bei Grapenmühlen, Stadt Visselhövede, Landkreis Rotenburg/Wümme, ist eine der prominentesten der rund 40 Bohrungen, in denen die Gas- und Ölindustrie ihre giftigen Abwässer verklappt. Der letzte gravierende »Zwischenfall« an dieser Bohrung Ende Mai des Jahres hat die Öffentlichkeit erneut aufgeschreckt.

Viele Fragen zu Wittorf im Speziellen und zur Entsorgungspraxis im Allgemeinen wurden daraufhin gestellt und früher oder später auch beantwortet. Dass das zuständige Landesbergamt die Entsorgung von giftigem Lagerstättenwasser aus der Erdgasförderung ins Erdreich neu bewerten will und dass die technisch durchaus mögliche Reinigung des Abwassers nicht Stand der Technik sei, fand Johannes Heeg von der Wümme-Zeitung heraus. Jürgen Schulz vom Sprecherrat der Initiative »Kein Fracking in der Heide« ermittelte unter anderem das Ausmaß der Verpresserei in Wittorf Z1.

Frühere Produktionsbohrung für Erdgas, jetzt Verpressstelle für Abwässer aus der Gasproduktion: Wittorf Z1 (Quelle: LBEG)
Frühere Produktionsbohrung für Erdgas, jetzt Verpressstelle für Abwässer aus der Gasproduktion: Wittorf Z1 (Quelle: LBEG)
Von 667.468 Kubikmetern verpressten Abwassers ist da die Rede, das bis Ende 2012 in dieser Bohrung verklappt wurde. Ein Ende der Verpressung oder eine Höchstmenge sei nicht festgelegt, berichtet Schulz. Derek Mösche, Pressesprecher der Betreiberin RWE Dea, teilte am 13. Mai 2013 mit: »Kumulativ sind durch die Wittorf Z1 bis zum 31.03.2013 672.422,6 m³ Lagerstättenwasser in den Kalkarenit eingebracht worden.« Bei diesen Größenordnungen spielt es keine Rolle, wenn das LBEG einen etwas älteren Stand kommuniziert.

Wo das LBEG aber gar nicht auf Stand ist, ist die jährlich zugelassene Verpressmenge. Dazu berichtet Mösche, ebenfalls am 13.05.2013: »Das jährlich zugelassene Einpressvolumen von 40.000 m³ wurde am 22.01.2002 nach Prüfung gem. §§55 und 56 des Bundesberggesetzes - BBergG und unter Beteiligung des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung (NLfB) mit dem Aktenzeichen 30/01/II-Prie-6145 B Erdgas als Sonderbetriebsplan durch das LBEG zugelassen. Die Erfassung der Versenkmengen erfolgt über eine Betriebsmessung, die täglich protokolliert und in einen Tagesbericht (IBIS) übertragen wird. Außerdem finden Befahrungen durch die Aufsichtsbehörde LBEG statt. Die DNV Zertifizierungs und Umweltgutachter GmbH hat im Rahmen eines externen Audits außerdem bescheinigt, dass die internationalen Standards OHSAS 18001, DIN EN ISO 14001 und DIN EN ISO 9001 eingehalten werden.«

Betrachtet man die Mengen, die in den Jahren 2011 und 2012 laut LBEG in Wittorf verklappt wurden, dann möchte man gleich nachfragen, wie verbindlich die festgeschriebene Maximalmenge von 40.000 m³/Jahr gemeint ist, denn in beiden Jahren wurde diese Menge um mehrere Tausend Kubikmeter überschritten.

Im Lichte dieser Ungenauigkeit sind andere Aussagen und Zusicherungen von Betreibern und Behörden alles andere als vertrauenerweckend. »Wie aus geologischer und bergbaulicher Erkundung bekannt und durch unabhängige Gutachten bestätigt, sind die oberflächennahen Grundwasserleiter von den in einer Tiefe zwischen 1.000 und 1.500 Meter liegenden aufnehmenden Schichten durch mehrere hundert Meter mächtige Tertiäre Tone und Tonmergelschichten voneinander getrennt. Diese dichten und undurchlässigen Tonschichten bilden eine hydraulische Barriere, die einen Austausch von Wässern zwischen den Horizonten verhindert.« (Mösche, RWE Dea, 13.05.2013) Zwischen Verpresstiefe von knapp 1000 Metern und der Sohle des Trinkwassergewinnungsgebietes »Rotenburger Rinne« liegen grade mal rund 600 Meter Gestein, das von Störungen durchzogen ist und auch schon einige Male von Erdbeben geschüttelt wurde.

Äußerst besorgniserregend finden das Wasserversorger und Anwohner. Sie kennen die zwei Bohrungen Wittorf Z1, Ende der 1970er nahe einer Bruchzone und direkt im Quellgebiet des Grapenmühlenbachs abgeteuft, ganz genau. Die erste Bohrung war in erheblicher Tiefe fehlgeschlagen, wobei ein Teil des Bohrgestänges im Untergrund verbleiben musste. Die zweite, heute als Verpressstelle dienende Bohrung dicht daneben stieß in rund 2000 Metern Tiefe auf ein Solevorkommen: Die 80° C heiße Sole schoss unkontrolliert aus dem Bohrloch heraus. Aufgrund des hohen Schwefelgehaltes im Untergrund war die Bohrmannschaft mit Schwefelschutzausrüstung ausgestattet, der Bohrmeister hatte einen gasdichten Container »und machte sich große Sorgen wegen eines möglichen Schwefelgasausbruches«, wie ein Zeitzeuge berichtete.

Diese Bohrung war aber nur wenige Monate produktiv. Ein neuer Bohrturm wurde errichtet und es wurde weitergebohrt, dann auch in horizontaler Ablenkung in südlicher Richtung. In dieser Horizontalbohrung wurde gefrackt, »mit frisch aus USA importierten Pumpen, die über 1000 bar erreichen konnten. Der Frackingvorgang, dem man heute kritisch gegenübersteht, war damals nur imponierend.«, wie ein Anwohner berichtet. Wann die Erdgasproduktion hier aufhörte, ist nicht bekannt. 1994, als mehr Raum für die unterirdische Verklappung der flüssigen Abfälle aus der wachsenden Gasförderung benötigt wurde, wurde Wittorf Z1 teilverfüllt und 1995 zur Versenkbohrung umgewidmet. Die bisher verpresste Menge ist nun bekannt; unbekannt ist das Verhalten der Brühe im Untergrund - eine Zeitbombe, wie viele fürchten. In den Bächen in und um Wittorf blubbert es derweil, Ursache unbekannt.


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Elbe-Hochwasser: Die Lage bleibt angespannt

AKW Krümmel am 10. Juni 2013, von Tespe aus gesehen
AKW Krümmel am 10. Juni 2013, von Tespe aus gesehen
20 Uhr am 11. Juni stagniert der Pegel von Hohnsdorf bei 9,54 Pegel-NN. Der Hohnsdorfer Pegel ist maßgeblich für die Einschätzung der Gefahrenlage am AKW Krümmel. Inzwischen wurde die Prognose auf einen Höchststand von 10,15 Metern abgesenkt. Erleichterung im Sinne des Hochwassers hat da wohl auch der Deichbruch bei Fischbeck, Sachsen-Anhalt, gebracht.



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